10-10-2009 Beijing Rundschau
Suche nach einem robusten Motor für Wirtschaftswachstum


In den vergangenen Jahren zeigten sich die Grenzen dieses Wirtschaftsmodells: Auf den Freiflächen siedelten sich immer mehr Betriebe an und Tandems 50 Hektar großes Betriebsgelände liegt seitdem eingequetscht zwischen neuen Unternehmen und den letzten noch verbliebenen Bauernhöfen.

 

Außerdem, sagt Tseng, sei es schwieriger geworden, gute Arbeitskräfte zu finden. Das habe ihn dazu bewogen, die Produktion mit Schweißrobotern zu automatisieren. Aber dann kam plötzlich aus Übersee der Abschwung.

Die ersten Anzeichen dafür spürte Tseng im Juli 2008, als die Aufträge lokaler Elektrofirmen anfingen, abzurutschen. Die volle Wucht der Rezession hat ihn aber erst getroffen als in den USA die Hypothekenkrise ausbrach und die Konsumenten zutiefst verunsicherte. "Im Dezember bin ich in die USA gefahren", sagt Tseng, "dort habe ich den bankrotten Autohandel gesehen."

In der Führungsriege von Tandem wandten sich manche gegen die Erschließung des lokalen Marktes. Sie fürchteten Einzelhändler, die georderte Ware nicht bezahlen, skrupellose Konkurrenten, die den Markt mit Billigkopien überfluten. Dann noch der ewige Preisdruck. Doch Tseng, der nicht an eine rasche Erholung der US-Nachfrage glaubt, ließ sich nicht unterkriegen.

"Der Gebrauch der Fahrräder verändert sich", sagt er. Früher wurden sie in China in erster Linie als Transportmittel betrachtet. Vor dem großen Autoboom galt das Land als "Königreich der Fahrräder". In der heutigen Zeit aber sehen die städtischen Kunden das Fahrradfahren zunehmend als Freizeitbeschäftigung an. Tseng sagt: "Ihre Vorlieben ändern sich allmählich. Chinesische Konsumenten ähneln immer mehr den Fahrradfahrern in anderen Ländern." So würden sie beispielsweise dem Mountainbike mittlerweile viel aufgeschlossener gegenüberstehen.

Dass Kaufkraft vorhanden ist, merkte Tseng, als er mit seinem Geländewagen durch Shunde fuhr. Er sah die Luxusautos, die vor einer Shopping Mall parkten: "Wie viel allein ein einziger dieser Wägen kostet! Geld scheint reichlich vorhanden zu sein, nicht umsonst geben sich in China die internationalen Autokonzerne die Klinke in die Hand."

Im Juli gab der Vorstand von Tandem grünes Licht: nicht nur für den Export, sondern auch für den Inlandsmarkt sollte von nun an produziert werden. Damit unterscheidet sich das Unternehmen, das im letzten Jahr einen Umsatz von 77,4 Millionen Euro erzielt hat, nicht mehr grundlegend von multinationalen Firmen. Der Kurswechsel ist nicht ganz einfach gewesen, es galt, bürokratische Hürden zu  überwinden. Tandem war ursprünglich als "Verarbeitende Handelsfirma" eingetragen. Dieser rechtliche Status erlaubt es dem Unternehmen, Rohstoffe zollfrei einzuführen und zu verarbeiten – dafür müssen die Endprodukte dann aber auch ausnahmslos exportiert werden. "Verarbeitende Handelsfirmen" sind vom chinesischen Markt ausgeschlossen.

Um hier verkaufen zu können, musste die Firma ein neues Unternehmen gründen, eine "Normale Handelsfirma", mit separaten Konten. Die juristischen Formalien sollen bis November unter Dach und Fach sein.

Die Firma steht noch vor weiteren Herausforderungen: Branding und Vertrieb. Ein Geschäftsmodell, das lange auf die Produktion für Fremdfirmen beruhte, hat in vieler Hinsicht Nachholbedarf: "Die Herstellung ist für uns ja ein Kinderspiel", sagt Manager Vincent Chen, "das machen wir seit 17 Jahren. Jetzt müssen wir die Produkte aber auch selbst entwerfen."

Der Wettbewerb ist hart in China. Sowohl heimische als auch ausländische Hersteller buhlen um Kundschaft. Große Firmen wie Giant Manufacturing Co. aus Taiwan sind bereits stark auf dem Markt für High-End-Fahrräder in Erscheinung getreten, Und das ist genau der Markt, den auch Tandem bedienen will.

Eine Nische musste her: Kinderräder. In diesem Bereich, so Tseng, seien die lokalen Produzenten verwundbarer. "Die machen Kinderfahrräder, als wäre das Spielzeug. Wir produzieren richtige Räder, hochwertig und sicher", sagt er.

Tsengs Showroom ist voll von farbenfrohen, kindgerechten Designs, die von einem rosa getünchten Barbie-Bike hin zu flammenden Rädern reichen und Namen wie "Firestorm", "Overdrive" und "Striker" tragen. "Chinesische und amerikanische Kinder haben fast die gleichen Vorlieben hinsichtlich Farbe und Ausstattung", sagt Tom Tseng.

Das Unternehmen verzichtet darauf, den traditionellen Einzelhandel zu beliefern, bei dem ist es nämlich mehr als fraglich, ob er sich für das Produkt wirklich einsetzt. Stattdessen hat Tandem die Eröffnung eigener Läden geplant. Der erste soll in Shunde entstehen.

"Das alles zu bauen und zu bewerben kostet natürlich viel Geld, und man sieht erst hinterher, ob es sich lohnt. Deshalb fangen wir gemächlich an", meint Tseng. "Zuerst müssen wir Lehrgeld zahlen."

Will heißen: Die Verkaufszahlen auf dem heimischen Markt werden Tandem in diesem Jahr zu keinem großen Sprung verhelfen. "Die Exporte sind weiter wichtig – die dürfen wir nicht vernachlässigen. Wir müssen in und außerhalb Chinas präsent sein", sagt Tseng.

Doch die Strategie des Fahrradherstellers funktioniert nicht für jedes Exportgeschäft. Die größten chinesischen Exporteure stellen Elektronik und Maschinen für den globalen Markt her, keine Konsumgüter.

Die Regierung will das ändern. Während sie vor Jahren noch den Export durch finanzielle Anreize und Steuernachlässe förderte, wird jetzt der Binnenmarkt subventioniert: Autos und Haushaltsgeräte.

Ökonomen warnen, dass ein dynamischerer Konsumentenmarkt in China Veränderungen braucht, damit die Bevölkerung vom Wirtschaftswachstum profitiert. Ein Ansatz sei zum Beispiel die Liberalisierung des Finanzsektors.

Tandem macht sich indes fit für den Streit um Plagiate: "Wir haben noch keine Produktpiraterie feststellen können, aber das wird sich ändern, wenn die Verkäufe erst einmal starten", sagt Tseng.

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