25-11-2009 Beijing Rundschau
Es ist vernünftig, dass sich die chinesische Regierung ihren eigenen Weg sucht
von Wu Yanfei

Eberhard Sandschneider

Eberhard Sandschneider (* 1955) ist ein deutscher Politikwissenschaftler.

Seine Forschungsschwerpunkte sind die deutsche Außenpolitik, die transatlantischen Beziehungen, die internationalen Beziehungen im Raum Asien-Pazifik, die Vergleichende Transformationsforschung und die politischen Systeme Chinas.

 

Beijing Rundschau: US-Präsident Barack Obama hat seine Chinareise abgeschlossen. In Europa sind Stimmen zu hören, dass die Bedeutung Europas für die USA abgenommen hat, während die Bedeutung Chinas deutlich zugenommen habe. Ein Beispiel dafür sei, dass Obama wegen seiner Chinareise nicht an der Feier zum 20. Jahrestag des Berliner Mauerfalls dabei war. Was meinen Sie zu diesen Befürchtungen?

Sandschneider: Es ist ein normaler Prozess. Die Bedeutung Asiens, auch für die amerikanische Außenpolitik, hat schlechthin zugenommen. Die Europäer erschrecken im Augenblick ein bisschen, dass es sich schon in der amerikanischen Diplomatie zu zeigen beginnt. Die erste Reise der neuen US-Außenministerin Hillary Clinton ging nach Asien, nicht nach Europa. Der Präsident hat sich entschieden, er hat eine Botschaft nach Berlin geschickt, eine Videobotschaft, aber er ist nicht selbst gekommen. Natürlich registrieren die Europäer, dass aus strategischer Perspektive für die Vereinigten Staaten das pazifische Verhältnis eindeutig an Bedeutung gewinnt, das transatlantische an Bedeutung verliert. Man darf es aber nicht übertreiben. Als die Bedeutung Europas wirklich wichtig für die USA war, war Europa ein geteilter Kontinent, Berlin eine geteilte Stadt. Dies hat sich inzwischen alles verändert. In diesem Sinne gibt es auch eine positive Entwicklung.

 

Beijing Rundschau: Klar ist, dass China und Europa in vielen Bereichen gemeinsame Interessen haben. Aber Meinungsunterschiede gibt es auch immer, besonders in Fragen in den Fragen Menschenrechte, Urheberrechtschutz oder Tibet. Wie soll man diese sensiblen Fragen behandeln?

Sandschneider: Es ist völlig normal, dass China ganz andere Wertvorstellung hat als die, die Europa über mehrere Jahrhunderte entwickelt hat. Es ist auch völlig normal, dass wir zwar immer enger ökonomisch zusammenarbeiten, aber in vielem stellt sich noch dar, dass wir unterschiedliche Interessen haben. Es beginnt im rechtlichen Bereich, es setzt sich fort beim Wettbewerb um Ressourcen, bei geistigen Eigentumsrechten. Ich glaube, man darf diese Differenzen, die es gibt, nicht überbewerten. Wenn man genauer hinschaut, sind die transatlantischen Beziehungen von ähnlichen Differenzen gekennzeichnet. Es ist ein natürlicher und normaler Bestandteil von internationalen Beziehungen in einer globalisierten Zeit. Was für die Schwierigkeiten zwischen Europa und China gilt, sind zwar etwas anders gelagert, aber was hier gilt, gilt im Prinzip eigentlich auch für die Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.

 

Beijing Rundschau: Die chinesischen Unternehmen sind seit Jahren sehr aktiv in Afrika, was im Westen oft als Ausbeugung kritisiert wird. Warum werden die ganz normalen Geschäftstätigkeiten Chinas, die auf Wirtschaftsverträgen basieren, so kritisch gesehen?

Sandschneider: Tatsache ist, dass Europa schon vor einigen Jahren kräftig darüber erschrocken ist, dass China sehr, sehr aktiv und erfolgreich in Afrika aktiv ist. Die europäische Kolonialpolitik hat Afrika ausgebeutet. Sie hatte es letztlich nicht zum Ziel gehabt, Afrika zu entwickeln, sondern es für europäische Interessen zu nutzen. China macht es heute eher auf dem Weg von wirtschaftlichen Verträgen. Ob das wirklich zur Entwicklung Afrikas beiträgt, werden wir gemeinsam anschauen müssen. Tatsache ist aber auch, dass es in Afrika, insbesondere in den Ländern, die über viele Ressourcen verfügen, tatsächlich einen Wettbewerb gibt zwischen chinesischen, amerikanischen und europäischen Unternehmen. Wer hat den Zugriff auf diese Ressourcen? Das wird in der Zukunft ein spannendes und schwieriges Thema für unsere trilateralen Beziehungen sein.

 

Beijing Rundschau: Die Reform des chinesischen politischen Systems ist auch ein heißes Thema. Die westlichen Medien meinen, im Vergleich zur wirtschaftlichen Reform bliebe die politische Reform weiter zurück. Was würde Ihrer Meinung nach passieren, wenn China von heute auf morgen die westliche Demokratie einführen würde?

Sandschneider: Dann müsste in der Tat ein kleines Wunder geschehen, wenn China über Nacht die Demokratie entwickeln könnte oder würde. Europa hat sich dazu über 300 Jahre lang entwickelt. Ich glaube, das ist auch eigentlich nicht der Punkt. Natürlich sind Europäer, die westlichen Staaten daran interessiert, dass möglichst viel Demokratie in der Welt entsteht, dass Menschenrechte geachtet werden, dass unser Wertesystem eingehalten wird. Aber in China gibt es andere Fragen. Es gibt die Frage der Stabilität eines riesigen Landes, das sich schlicht durch die Einführung unseres Wahlsystems, unseres Parteiensystems, unserer politischen Ordnung wahrscheinlich gar nicht mehr würde regieren lassen in einer so schwierigen Übergangszeit. Also Stabilität kommt zuerst und sonst würde vermutlich in China die Regel ganz einfach heißen, nach ökonomischer Entwicklung würde es eine politische Anpassung geben müssen, an der kein Weg vorbeiführt. Aber ich halte es letztendlich auch für vernünftig, dass sich die chinesische Regierung ihren eigenen Weg sucht, in ihrem eigenen Tempo und dabei die Wichtigkeit der politischen Stabilität nie außer Acht lässt. Ein destabilisiertes China, das demokratisch aber chaotisch ist, wäre auch nicht im Interesse des Westens.

 
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