08-12-2008 Beijing Rundschau
Wo liegt die Grundposition der chinesischen Diplomatie
von Wu Yanfei

Trotz Warnungen und Protesten aus Beijing ist der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Rande eines Treffens von Friedensnobelpreisträgern zu Ehren von Lech Walesa in Danzig mit dem Dalai Lama zusammengetroffen. Die chinesische staatliche Nachrichtenagentur Xinhua hat dies als „unklugen“ Schritt des amtierenden EU-Ratspräsidenten bezeichnet, der den Dialog Chinas mit der EU behindere, die chinesisch-französischen Beziehungen untergrabe, und die Gefühle des chinesischen Volkes verletze. Im chinesischen Internet wurden Forderungen zum Boykott französischer Waren laut. Zuvor hatte China aus Protest den China-EU Gipfel im französischen Lyon abgesagt. Warum ist die Reaktion Chinas diesmal so heftig? Mit dieser Frage hat sich Yan Wei von der Beijing Review an Yan Xuetong, dem Chef des Forschungsinstituts für Internationale Fragen an der Tsinghua Universität gewandt.

Beijing Review: Aus Protest hat China in der vergangenen Woche den Gipfel mit der EU abgesagt. Was hat China dazu bewegt, diese Entscheidung zu treffen?

Yan Xuetong: Bei der Tibet-Frage geht es um Souveränität, territoriale Integrität und die Kerninteressen Chinas. Nach dem Amtsantritt von Ma Ying-jeou in Taiwan haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Seiten der Taiwan Straße verbessert. Daher gibt die Taiwan-Frage manchen westlichen Ländern kein effektives Instrument mehr in die Hand, mit welchem man China unter Druck setzen kann. Vor diesem Hintergrund wenden sie sich nun der Tibet-Frage zu. Ein Treffen mit dem Dalai Lama im Ausland ist der direkteste Weg zu ihrem Ziel. Die Tibet-Frage tritt nun an die Stelle der Taiwan-Frage. Frankreich hat diese Taktik verfolgt, genauso wie zuvor Deutschland. Weitere Nachahmer sind nicht auszuschließen.

 

Beijing Review: Wie haben die EU-Länder auf die Entscheidung Chinas, den China-EU Gipfel abzusagen, reagiert?

Yan Xuetong: Die EU hat ihr Bedauern über die Entscheidung Chinas geäußert, während Frankreich der Meinung ist, die Entscheidung des Präsidenten für ein Treffen mit dem Dalai Lama sei nicht zu ändern. Die EU, die die Meinung der Mehrheit der Mitgliederländer vertritt, hat im Vergleich zu Frankreich relativ sanft darauf reagiert. Dass Frankreich so hart und heftig reagiert, ist meiner Meinung nach auf die folgenden Faktoren zurückzuführen. Erstens, die französischen Medien haben in ihrer Berichterstattungen über die Unruhen in Lhasa am 14. März Sympathien für den Dalai Lama geäußert. In diesem Sinne sind Franzosen von den Medien stärker beeinflusst worden als die Bürger anderer EU-Staaten. Zweitens, dass China den China-EU Gipfel abgesagt hat, gilt eher als Kritik an Frankreich, nicht an der EU insgesamt. China wird es nicht ablehnen, mit anderen EU-Spitzenpolitikern in Kontakt zu treten. Die Amtszeit von Sarkozy als EU-Ratspräsident läuft bereits zum 31. Dezember aus. Drittens, in verschiedenen Kreisen der französischen Gesellschaft herrscht die Meinung vor, dass Frankreich zwar auf politischer Ebene China viel Unterstützung gewährt, dafür aber von China zu wenig Gegenleistung in Wirtschaftsfragen erhält. Während des Besuchs von Sarkozy im November wurden Kooperationsverträge in Höhe von zwei Milliarden Euro unterzeichnet. Aber diese „Torte“ ist nach Meinung vieler Franzosen nicht für Frankreich allein gedacht, sondern fast jedes EU-Mitglied könne sich ein Stück davon abschneiden. Airbus zum Beispiel werde nicht allein in Frankreich produziert, sondern sei ein Produkt von vielen Ländern. Was das Außenhandelsvolumen betrifft, so bleibt Frankreich hinter Deutschland zurück. Frankreich fühle sich unfair behandelt und von China gering geschätzt.

 

Beijing Review: Wie werden sich die chinesisch-französischen Beziehungen vor dem Hintergrund der Weltfinanzkrise weiter entwickeln?

Yan Xuetong: Eigentlich sollten beide Länder noch enger zusammenarbeiten, um der Weltfinanzkrise entgegenzuwirken. Das würde sich positiv auf die bilateralen Beziehungen auswirken. Nun ist die Kooperation aber durch gegenseitige Schuldzuweisungen erheblich erschwert worden. Frankreich wirft China fehlenden Willen zur Kooperation mit Frankreich im Kampf gegen die Finanzkrise vor. Auf dem G-20 Treffen hat Frankreich vorgeschlagen, die Position des Euros im Weltfinanzsystem zu stärken. Dieser Vorschlag hat aber keine klare Unterstützung von Seiten Chinas gefunden. China und Japan wollen keine beschleunigte Abwertung des US-Dollars sehen. Daran, dass der Dollar seine dominierende Rolle im internationalen Währungssystem verliert, haben sie auch kein Interesse. Denn die Abwertung des Dollars würde für beide Länder enorme Verluste von Devisenreserven bedeuten. Aus diesem Grund hat China sich zurückhaltend gegenüber dem Vorschlag Sarkozys gezeigt, den Euro neben dem US-Dollar zur gleichberechtigten internationalen Währung zu machen. Dies kann auch ein Grund dafür sein, dass Sarkozy sich schließlich zum Treffen mit dem Dalai Lama entschieden hat.

Diese Finanzkrise ist nicht etwas Kurzfristiges, sie wird meiner Meinung nach anderthalb Jahre dauern. Während der Krise wird die Wirtschaft beider Länder unter starkem Druck stehen, was den Raum für Kompromisse noch weiter eingrenzt. Die Reibereien zwischen China und Frankreich in Wirtschafts- und Handelsfragen werden zunehmen.

 

Beijing Review: Es ist die Kunst der Diplomatie, Kompromisse einzugehen. Aber es gibt in der Diplomatie auch Grundpositionen, die unverrückbar sind. Wo liegen Ihrer Meinung nach die unverrückbaren Positionen der chinesischen Diplomatie?

Yan Xuetong: Ich meine, in Fragen der Souveränität ist kein Kompromiss erlaubt. Uns ist klar, dass es bei den meisten internationalen Konflikten um nichts anderes als um Souveränität geht. Alle anderen Fragen sind relativ leicht beizulegen. Deswegen meine ich, dass bei Fragen, welche die Souveränität eines Landes betreffen, entsprechende Zugeständnisse der anderen Seite unentbehrlich sind. Das ist die Grundposition der chinesischen Diplomatie.

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