19-10-2009 Beijing Rundschau
Liu Zhenyun und seine „Taschendiebe": Humor ist ohne Grenzen
von Zeng Wenhui

Während der Frankfurter Buchmesse wird der Roman von Liu Zhenyun, „Taschendiebe", dessen chinesischer Titel wörtlich übersetzt „Ich heiße Liu Yuejin" lautet, den deutschen Lesern vorgestellt. Der Humor von Liu Zhenyun hat die Deutschen sehr beeindruckt. Im Rahmen der Initiative „Deutschland und China – gemeinsam in Bewegung" und gefördert vom Bundesland Sachsen und dem Literaturbüro NRW e.V. befindet sich der Schriftsteller seit September für zwei Monate in Deutschland.


Liu Zhenyun erklärt, dass sein Buch 2008 herauskam. Es geht in den „Taschendieben" darum, welche Beziehungen Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten miteinander unterhalten. Liu Yuejin ist nach dem Vorbild des Cousins von Liu Zhenyun im echten Leben gestaltet, verrät Liu: „Mein Cousin ist Koch auf einer Baustelle, aber er kümmert sich gar nicht darum, wie man besser kochen kann, er sorgt sich viel mehr über die Entwicklung der chinesischen und internationalen politischen Lage. Er kennt sich zum Beispiel viel besser über Obama aus als ich. Ich finde, dass die Beziehungen zwischen meinem Cousin und Obama auf ihre Art sehr ‚gute' Beziehungen sind. So ist das Buch 'Ich heiße Liu Yuejin' entstanden." Im Roman ist Liu Yuejing ein ganz normaler Koch, er hat auf der Straße eine Tasche verloren, aber bei der Suche nach seiner eigenen Tasche findet er die Tasche eines anderen. In seiner eigenen Tasche gibt es ein Geheimnis, aber in der Tasche, die er gefunden hat, gibt es ein noch größeres Geheimnis.

Liu Zhenyun ist der Meinung, dass Menschen wie Liu Yuejin eigentlich als Schaf gehalten werden, während man einflussreiche Menschen mit hohem Status „Wölfe" nennt. „Ich heiße Liu Yuejin" ist ein Buch darüber, wie die Schaf einen Wolf auffrisst. Eigentlich ernährt sich ein Schaf vegetarisch, und kann gar keinen Wolf fressen, aber es gibt mehr Schafe als Wölfe: wenn jedes Schaf spuckt, kann die Spucke aller Schafe den Wolf ertränken.

Liu Zhenyun sagt: „Ich finde, dass vier Sorten von Wörtern am berührendsten sind. Erstens die Worte, die man zu einfachen Sätze verbindet, zweitens die wahren Worte, drittens Worte aus dem Herzen, viertens Wörter, die eine ungewöhnliche Meinung wiedergeben. Liu Yuejing ist ein ganz ungewöhnlicher Koch".

„Ich heiße Liu Yuejin" trägt in der deutschen Ausgabe den Titel „Taschendieb". Vor den deutschen Lesern erzählt Liu Zhenyun scherzend sein Erlebnis bei der Einreise nach Deutschland: „ich habe gar nicht gedacht, dass ich selbst auch zu einem Liu Yuejin werde". Tatsächlich wurde die Tasche von Liu Zhenyun auf dem Düsseldorfer Flughafen gestohlen. Liu Zhenyun sieht viele Unterschiede zwischen China und Deutschland. Die Deutschen und Chinesen sehen anders aus, das Essen und das Bier sind in beiden Ländern unterschiedlich, aber die Taschendiebe sind gleich. „In meiner Tasche waren Geld, mein Laptop und mein Paß. Ich denke, es ist sehr nett von den Deutschen, dass sie mich länger hier behalten wollen, nur haben sie mich auf eine sehr ungewöhnliche Weise in ihren Plan eingeweiht!"

Im chinesischen Original wird viel Dialekt aus der Provinz Henan gesprochen, können die deutschen Leser das Buch überhaupt verstehen? Liu Zhenyun ist da ganz zuversichtlich und erklärt, dass die Übersetzer bestimmt geeignete Wörter für die Wiedergabe des Dialekts gefunden haben. Er hat mit seinem Buch schon zwölf Lesungen in Deutschland gehalten. Er findet er, dass die Deutschen an den gleichen Stellen wie die Chinesen lachen. So denkt Liu, verschiedene Nationalitäten haben doch ein gleiches Verständnis von Humor. Lustig sind nicht nur Wörter, sondern die Dinge hinter den Wörtern, oder sogar die Logik hinter solchen Dingen. Humor ist nicht eine Redeweise, sondern eine Lebenshaltung. 

„In China", so Liu, „sind vielleicht die Leute aus der Provinz Henan am humorigsten". Eines Tages hat Liu Zhenyun in einem deutschen Dorf in einem alten Kornspeicher, der zu einem Kulturzentrum umgebaut wurde, aus seinem Werk vorgetragen. Das hat ihn an die Kulturrevolution erinnert, als alle Einwohner seines Heimatdorfes versammelt waren, um gemeinsam die Mao-Bibel zu studieren. Bei der Diskussion sagte ein deutsches Mädchen, sie mag Liu Yuejin, diesen humorvollen Charakter so sehr, dass sie einen Chinesen heiraten will. Darauf entgegnete Liu Zhenyun dem Mädchen: „Wenn du einen Chinesen als Ehepartner wählst, sollst du nur zwei Bedingungen stellen: erstens muss er aus der Provinz Henan stammen, zweitens muss sein Familiename Liu sein." Liu Zhenyun selbst erfüllt diese Bedingungen in vorzüglicher Weise.

Mit der Meinung von Wolfgang Kubin, dem auch in China sehr bekannten Sinologen, dass die chinesischen Schriftsteller von Goethe lernen bzw. mehrere Fremdsprachen beherrschen sollten, um ihren literarischen Ausdruck zu bereichern, geht Liu Zhenyun konform. Liu Zhenyun ist schon zwei Monate in Deutschland. Zum Beweis, dass er Deutsch kann, sagt er fließend „Guten Tag", „Tschüss" und „Danke".

Liu Zhenyun ist der Meinung, dass die Schriftsteller in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts viele Fremdsprachen konnten, während die Schriftsteller in seiner Zeit nur Chinesisch können. Das hindert sie aber nicht daran, ausgezeichnete chinesische Schriftsteller zu werden. „Meines Wissens konnte Konfuzius kein Englisch, aber er hat ein so gutes Buch wie Lunyu hervorgebracht. Li Bai und Du Fu, die berühmtesten Dichter, konnten auch kein Deutsch. Ich habe gestern Cao Xueqin gefragt, er sagt, er konnte auch kein Portugiesisch." Allerdings, fügt Liu Zhenyun hinzu, wenn man Fremdsprachen beherrscht, kann man die ausländischen Werke im Original lesen, und das Gefühl der Sprache unmittelbar erleben. Das diene natürlich auch dem eigenen Schreiben. „Ich will bei mir selbst anfangen. Im nächsten Jahr werde ich auf diesem Podium direkt und ohne Dolmetscher auf Deutsch einen Vortrag halten", scherzt Liu.

Eine junge Besucherin der Lesung, Ursula Schrammel, hat am Büchertisch die „Taschendiebe" gekauft. Sie sagt, dass sie den Autor bereits bei einer anderen Veranstaltung kennen gelernt hat. Sie findet ihn sehr interessant. Das Buch „Taschendiebe" werde ihr bestimmt gefallen, „ich habe zwei Jahre in Beijing gelebt, der Roman wird mich an mein Leben in Beijing erinnern."

 

 
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