05-05-2010
Die vier begehrtesten Tische Shanghais
Shanghai im Wandel 

Ihr zwanzig Jahre altes Restaurant - auf Englisch „Spring Dining Hall" genannt - findet man im Shanghaier Nobelviertel der alten Französischen Konzession. Es liegt im Erdgeschoss eines dreistöckigen Gebäudes, dass von internationalen Boutiquen und Fünf-Sterne-Hotels umgeben ist. Doch Frau Qus Familie gehört dieses Haus schon seit mehr als siebzig Jahren. Bevor Qu es in ein Restaurant verwandelte, hatte die Familie hier auch gewohnt. Die Nachbarschaft hat sich nach und nach in eine gehobene Gegend verwandelt. Besonders mit der Ankunft von Restaurants wie „The Chinoise Story", die hauptsächlich exotische Gerichte servieren. 

Während all der Jahre seines Bestehens ist die einzige Veränderung im „Chun" ein neuer Anstrich gewesen. Als Gästetoilette muss noch immer ein öffentliches WC einige Häuser weiter herhalten. Die Küche wird durch Öffnen der Hintertür belüftet. Der Beliebtheit des kleinen Ladens hat dies aber keinen Abbruch getan. Ganz im Gegenteil. Der hohe Bekanntheitsgrad des „Chun" hat ein merkwürdiges Phänomen hervorgebracht. Die Straßen rund um das „Chun" sind mittlerweile voll von Konkurrenten, die hoffen, vom Ruhm des alteingesessenen Lokals profitieren zu können. Drei Restaurants ganz in der Nähe sind von der Aufmachung her mit dem „Chun" fast identisch. Schlichte Dekoration, nur wenige Tische und hausgemachte Shanghaier Kost. Jedoch konnte bisher keiner dieser Imitatoren „Chuns" treue Stammkunden abwerben.

Der Ruhm steigt Frau Qu jedoch nicht zu Kopf. Auf die Frage, ob sie sich wünscht, dass ihr Sohn, ein Universitätsabsolvent, ihren Laden einmal übernehmen soll, guckt sie mich erstaunt an. „Warum sollte ich ihn das tun lassen?", fragt sie aufgebracht: „Ein Restaurant betreiben, mit all dem Ärger? Das würde ich ihm nie erlauben!" 

Die Atmosphäre im „Chun" ist sehr familiär. Frau Qu sagt dazu selbst: „Es ist, als ob man zu seiner Tante zum Essen geht." Das gute Essen bestätigt diesen Vergleich. „Wir kommen nun seit vier Jahren hierher, seitdem wir in einer Fernsehsendung vom ´Chun´ gehört hatten. Wenn wir zu Hause keine Lust zum Kochen haben, gehen wir ins ´Chun´ und fühlen uns ganz wie daheim. Es gibt typisches Shanghaier Essen und es ist wirklich lecker", sagt Wu Weijuan, die gerade mit ihrem Ehemann Ding Zhenjia das Essen genießt.  


gute Shanghaier Küche?

Viele Kenner der chinesischen Küche würden sagen „Gute Shanghaier Küche? Das ist ein Widerspruch in sich!" Größtenteils unberührt von modernen Einflüssen und Trends basiert das Shanghaier Essen maßgeblich auf Öl, Soja-Soße und Zucker. Anhänger einer komplexeren Küche, wie der Sichuans oder Kantons, sagen, dass Shanghaier Köche gute Zutaten nähmen, die sie dann durch das Begießen mit einer süßen öligen Soße verderben würden.

 

Aber diese Menschen sind wahrscheinlich noch nicht in den Genuss der Kochkunst von Wu Weiguang gekommen. Der 34 Jahre alte Wu ist seit elf Jahren einziger Koch im „Chun". Er  ist gebürtiger Shanghaier, dessen Familie seit Generationen in der Stadt lebt. Für ihn lebt eine gute Küche vor allem aus der richtigen Dosierung. „Andere Restaurants schaffen es einfach nicht den authentischen lokalen Geschmack zu erzeugen. Sie kennen die richtige Dosierung der Zutaten nicht", sagt Herr Wu. „Unsere Gäste kommen, weil sie den Original Shanghaier Geschmack wollen. Sie brauchen keine ausgefallenen Zutaten oder Schickimicki-Küche." Allerdings gibt Wu zu, dass er in den letzten Jahren die Ölmenge reduziert hat – ein Zugeständnis an den modernen Gaumen. 

Ich frage Herrn Wu nach dem Gericht, das ich den Abend zuvor gegessen hatte. Ich hatte gedacht, dass das Essen sehr anspruchsvoll gewesen sei, da keine der Soßen wie die andere schmeckte und die jeweiligen Zutaten perfekt ergänzte. Die Antwort des Kochs überraschte mich allerdings. Nichts Besonderes sei an den Soßen gewesen, nur die üblichen Zutaten der chinesischen Küche. Er hatte nur etwas Essig oder ein wenig Sesamöl mit Sojasoße, Zucker und Öl vermischt. Mehr nicht. 

Mein erstes Essen im „Chun" liegt mittlerweile sechs Jahre zurück. Damals war Frau Qu Wirtin, Kellnerin und Küchenhilfe in einer Person. Heute jedoch arbeiten im „Chun" zwei junge Frauen, die Tische wischen und dem Koch bei den Vorbereitungen helfen. Auch die Preise sind gestiegen, aber niemand hat sich bisher beschwert. Zu sechst haben wir zum Essen so viel Bier getrunken, das ich gar nicht darüber nachdenken mag. Bezahlt haben wir umgerechnet etwa 58 Euro. 

Frau Qu ist nicht daran interessiert reich zu werden. Der Herd wird jeden Abend gegen acht Uhr ausgeschaltet. Das „Chun" bleibt nach wie vor an Sonn- und Feiertagen geschlossen. Frau Qu sagt, dass sie die Öffentlichkeit scheut. Erst zwei Tage nach meinem Essen im „Chun" stimmt sie einem zwanzigminütigen Interview zu. Sie hält Wort und rührt das gesamte Interview über in Töpfen und notiert Tischreservierungen für den Abend.

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