Eine schönere, neuere Welt 

Dennoch steht die Technik immer noch an der Schwelle zum Durchbruch. 

Auf einem Online-Forum im März erklärte Ma Jiesi, VR-Manager bei HTC Vive, einem Hersteller von VR-Headsets, dass VR lediglich der erste Schritt auf dem Weg in eine ganze Reihe virtueller Welten sei. „Nach VR wird die AR (Augmented Reality) kommen, dann die MR (Mixed Reality)." 

VR- und AR-Ausrüstungen seien die Computer-Plattformen der Zukunft. „Wir können so weit gehen zu sagen, dass dies die letzte Generation der Computertechnologie sein wird, die intelligente Geräte wie Computer und Smartphones ersetzt", erklärte Ma. „Das MR-Zeitalter wird definitiv kommen, aber es wird noch lange dauern." 

In diesem Jahr, auch das " Jahr eins der VR" genannt, wurde die neue Technologie im März bei den jährlichen Tagungen des 12. Nationalen Volkskongresses, Chinas oberstem Gesetzgeber, und des 12. Landeskomitees der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes, dem obersten Beratungsorgan des Landes, in Gestalt mehrerer VR-Kameras zur Berichterstattung eingesetzt. VR war auch beim Bo'ao-Asienforum, das wenige Wochen später in der südchinesischen Provinz Hainan stattfand, ein viel diskutiertes Thema. 

"Ich glaube, VR wird die nächste Welle nach dem Internet sein", erklärte Tan Zheng, Geschäftsführer von ANTV, einem Start-up, das sich mit der Entwicklung von VR befasst, beim Bo'ao-Forum. „Viele Industrien erkunden zurzeit die Möglichkeit, wie sich Unternehmen  mit dieser neuen, coolen Technologie verknüpfen lassen." 

Hunderte von VR-Clubs sind in China aus dem Boden geschossen. Für weniger als 100 Yuan (15,15 US-Dollar) können Kunden eine „ganz neue Welt" erleben, sie brauchen nur ein entsprechendes Headset aufzusetzen. Immobilienunternehmen können die Technologie ebenfalls nutzen, potenzielle Kunden können sich so ihre neuen Häuser am anderen Ende der Welt ansehen. Auch das Strawberry Music Festival, eine der beliebtesten Veranstaltungen zum 1. Mai in Beijing, hat angekündigt, die VR-Technologie in seiner Show zu nutzen. 

Irreale Welt, reale Sorgen 

"Ziel der Branche ist es, die virtuelle Welt so real wie möglich zu machen, bis sie sich genauso anfühlt wie die echte Welt", erklärte Ma Jiesi, VR-Manager bei HTC Five, in einem Online-Forum. Ein Teil des Markts entsteht aus der Unzufriedenheit vieler Leute mit ihrem Leben. Sie wollen eine virtuelle Alternative und Computer, Tablets oder Smartphones können diese Flucht nicht bieten. 

Song Fei, zuständig für die VR-Abteilung beim Videoportal LeTV, behält dennoch einen kühlen Kopf. „Um VR-Videos anzusehen, müssen die Zuschauer Headsets oder Brillen tragen, die Qualität dieser Geräte bereitet jedoch noch Kopfzerbrechen", erklärte er der China News Agency. Es fehlen auch noch ausreichende Videoinhalte. 

VR-Ausrüstung aus mehreren GoPro-Videokameras zur Berichterstattung über den diesjährigen Nationalen Volkskongress (WEI YAO)

Das nachlassende Geschäft vieler VR-Clubs zeigt, dass Songs Bedenken nicht grundlos sind. Nach dem Kundenandrang der ersten Monate lässt das Geschäft nach, da die Zahl der gegenwärtig im Umlauf befindlichen Videos begrenzt ist. 

VR-Präsentationen könnten mehr Kun''den anlocken, die Immobilie selbst mache nur einen kleinen Teil ihrer Kauferwägungen aus, erklärt Zhao Xueyan, Immobilienmakler, der seit über zehn Jahren in Beijing tätig ist. „Kunden müssen außerdem über das gesamte Umfeld Bescheid wissen, Nachbarn, Verkehr, etc. Das kann man in VR-Videos nicht zeigen." 

Tong Dawei, ein beliebter chinesischer Schauspieler, sorgt sich jedoch wegen der sozialen und psychologischen Aspekte. „Auch wenn die VR-Technologie faszinierend ist, kann man sie nicht mit dem echten Leben vergleichen", erklärte er auf dem Bo'ao-Forum. „Ich will nicht, dass mein Kind in einer virtuellen Welt lebt. Egal wie gut sie auch sein mag, sie kann ihm nur ein sehr begrenztes Verständnis von der echten Welt vermitteln."