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1,4 Milliarden Zeugen des Erfolges: Die Reform- und Öffnungspolitik hat China nachhaltig und tiefgreifend verändert

Von Nils Bergemann  ·   2023-12-20  ·  Quelle:german.chinatoday.com.cn
Stichwörter: Reform;Öffnung
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Bereit für den ersten großen Einsatz: Am 4. November wurde Chinas erstes im eigenen Land gebautes großes Kreuzfahrtschiff, die „Adora Magic City“, ausgeliefert. Die Jungfernfahrt ist für den 1. Januar 2024 geplant. (Foto: Ding Ting/Xinhua)  

Die Reform- und Öffnungspolitik Chinas, die sich dieses Jahr zum 45. Mal jährt, ist nichts Abstraktes für mich. Ich war als Kind Mitte der 1980er Jahre mit meinen Eltern für einige Wochen in China. 2011 machte ich hier eine vierwöchige Rundreise, Januar 2017 flog ich für ein Vorstellungsgespräch mit anschließendem Miniurlaub in die Volksrepublik. Und seit November 2017 arbeite ich nun hier. Zu behaupten ich würde China kennen, wäre vermessen. Dafür ist mein Chinesisch viel zu schlecht und dafür ist das Land viel zu groß. Aber ich versuche gut zuzuhören und genau zu beobachten. Ich lerne von meinen chinesischen Freunden, Kollegen und Vorgesetzten.  

Wir können viel voneinander lernen. Und wenn man gelernt hat, dass man darauf vertrauen kann, dass fremde Ansichten genauso geschätzt werden wie neugierige Zuhörer, ist diese interkulturelle Kommunikation sehr fruchtbar. Chinesen sind anders als Deutsche, aber uns andererseits sehr ähnlich. Und die Zeit war noch nie so gut, um die chinesisch-deutsche Freundschaft auf diplomatischer, wirtschaftlicher und persönlicher Ebene zu zelebrieren. China ist extrem attraktiv für Deutsche und umgekehrt ist das auch der Fall. 

Um die vergangenen 45 Jahre im Sog der Reform- und Öffnungspolitik zu beschreiben, muss man Star-Trek-Vokabular bemühen: China war mit Warp-Speed unterwegs. Es wurde oft beschrieben, wie viele Hunderte Millionen Menschen China aus der Armut befreit hat und wie extrem Chinas Wirtschaft gewachsen ist. Das stimmt alles. China hat sich auch von der Werkbank der Welt zu einem High-Tech-Land mit Supercomputern, pünktlichen Hochgeschwindigkeitszügen, eigener Raumfahrt, respektablen Automobilherstellern und Bergen von patentierbaren Ideen verwandelt. 1,4 Milliarden Chinesen sind Zeugen dieser Entwicklung. Jede chinesische Familie kann eine eigene Geschichte dieser erstaunlichen Entwicklung erzählen. 

Aber ist das alles einfach so von selbst geschehen mit ein paar Reförmchen und etwas Öffnung? Nein, dazu braucht es mehr. Es gibt kein Land auf der Erde, das eine vergleichbare Entwicklung hinbekommen hätte. China hat mit seinem systematischen Programm sogar das deutsche Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit in den Schatten gestellt – womit wir wieder bei den Gemeinsamkeiten dieser Völker sind: Chinesen und Deutsche sind imstande, hart anzupacken, ohne viel zu reden.  

Viele Studien beweisen, dass Gewissenhaftigkeit und Intelligenz die Hauptgründe für beruflichen Erfolg sind. Meiner Meinung nach gibt es in politischen Systemen eine Selbstähnlichkeit: So wie es in Familien zugeht, geht es oft auch in der obersten Ebene zu. Ich denke, dass China sehr klug und sehr gewissenhaft ist. Die extreme Entwicklung des vergangenen halben Jahrhunderts lässt sich nicht nur mit dem Hunger eines Volkes erklären, dass Dürren, Überschwemmungen, Erdbeben und Angriffe überstehen musste und sich nach einer besseren Zukunft sehnte. Nein, dieses Volk hatte auch immer die Gemeinschaft im Blick und war bereit stetig und gewissenhaft an dem großen Ziel – etwas Wohlstand und Frieden – zu arbeiten, ohne selbst zu Lebzeiten große Fortschritte zu erleben. Unter der visionären Führung von Deng Xiaoping im Jahr 1978 rückte dieses Ziel dann jedoch viel näher, als sich die Chinesen das je hätten träumen lassen.  

In Berlin hatte ich viele chinesische Freunde, wir trafen uns oft zum Kaffeetrinken und Plaudern. Sie sind begeistert von allem, was in ihrem Heimatland passiert. Die Diskussionen, die durch die Entwicklung Chinas ausgelöst wurden, waren oft sehr leidenschaftlich. Meine Freunde sprachen mit mir über E-Commerce, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen, den Aufstieg berühmter chinesischer Marken wie Huawei, die Rekorde der Hochgeschwindigkeitszüge sowie die Entschlossenheit und die Anstrengungen der Regierung im Kampf gegen Korruption. 

China beginnt in vielen Bereichen eine Führungsrolle zu spielen und wird zum Marktführer. Das macht die Chinesen im Ausland schon stolz. Chinesen sind patriotisch auf angenehme Weise, Nationalismus liegt ihnen fern. Xi Jinpings Seidenstraßeninitiative ist in den Augen meiner chinesischen Freunde ein Symbol für die nationale Erneuerung. Die Olympischen Spiele 2008 und die Olympischen Winterspiele 2022 in Beijing zeigten auch den Chinesen, dass China dabei ist, einen angemessenen Platz in der Welt zu finden.  

Mein Freund Ming sagte: „China bemüht sich, einen gemeinsamen Entwicklungsweg mit der Welt zu finden, wie die Initiativen, die China anführt oder an denen das Land beteiligt ist, wie die Shanghai Cooperation Organization (SCO), BRICS und die Seidenstraßeninitiative, zeigen. Das dringendste Problem besteht derzeit darin, die Umwelt zu schützen und ein nachhaltiges Wachstumsmodell zu schaffen.“ In den Augen von Ming, der sich in Berlin mit chinesischem Fleiß den Besitz einiger Immobilien selbst erarbeitet hat, ist alles aufregend.  

Als ich 2017 dieses magische Land nach sechs Jahren wieder betrat, ohne damals zu ahnen, dass ich womöglich für immer bleiben würde, hatte ich den wohl besten beruflichen Start für einen neugierigen Neubürger: Ich war Redakteur und Reporter für die deutsche Abteilung der China Media Group und durfte über das für deutsche Augen Unbekannte und Kuriose schreiben und Videos drehen. So lernte ich Land und Leute auch etwas besser kennen. 

Ein hervorstechendes Merkmal der umfassenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Transformation ist der enorme wirtschaftliche Aufschwung Chinas mit Wachstumsraten von mehr als fünf Prozent über Jahrzehnte. Die Öffnung des Landes für ausländische Investoren und der Fokus auf den internationalen Handel haben China zu einer der größten Volkswirtschaften der Welt gemacht. Dabei gehen einige Analysten davon aus, dass China sogar die Spitzenposition in weniger als zehn Jahren einnehmen könnte. Das wirtschaftliche Wachstum hat Millionen von Arbeitsplätzen geschaffen, die absolute Armut beseitigt und die Lebensqualität von Hunderten von Millionen Menschen deutlich verbessert. 

Diese Verbesserungen zeigen sich auch an Kleinigkeiten: Wenn ich am Morgen durch mein Handy geweckt werde, ist das erste, was ich tue, mein Handy zu nehmen und es schnell durchzuschauen. Mein chinesisches Huawei-Handy piept und benachrichtigt mich den ganzen Tag.  

In Deutschland nutzen die Leute normalerweise WhatsApp und einige vergleichen es mit WeChat. Ich spotte dann: „WhatsApp entspricht Gehirnzellen in der Petrischale, doch WeChat ist ein Gehirn.“ Das mag etwas übertrieben sein, aber es gibt tatsächlich große Unterschiede in der Funktionalität der beiden Apps. In China kann ich in der Regel viele Dinge allein mit WeChat erledigen, wie etwa: chatten, Videos posten, mich in Gruppen informieren, Fahrräder ausleihen, Flüge oder Züge buchen, Essen bestellen, Strom bezahlen. Elon Musk nannte nicht umsonst WeChat als Vorbild für die geplante Transformation von X (früher: Twitter) zu einer „Omni-App“, die alles kann. Nun, China ist hier schon weiter als Elon – sicherlich eine erfreuliche Nebenwirkung der vielen Reformen. 

Mit WeChat mietete ich mir bestimmt tausende Male eines der unverwüstlichen Fahrräder verschiedener Anbieter, die in zahlreichen speziellen Zonen abgestellt sind. Dafür musste ich mit WeChat oder AliPay nur einen QR-Code einscannen und konnte dann für umgerechnet 20 bis 50 Cent zur Arbeit oder in den Park fahren. In meinen ersten Jahren in China, 2017 oder 2018, gab es Vergleichbares gar nicht in Europa. Chinas Weg von der Werkbank zur Ideenschmiede war kürzer, als die größten Optimisten gedacht hätten. Heute wird „Made in China“ kopiert – wer hätte das gedacht?  

Bevor ich schlafen gehe, sehe ich mir an, wie viel meine Kontakte gelaufen sind. Wer will, kann seinen „Schrittzähler“ freischalten und sich im Spaß messen. Mein Vater hatte schon vor bald 40 Jahren den richtigen Riecher. Bei einer Reise nach China sagte er zu einem anderen ausländischen Touristen: „Das nächste Jahrhundert oder sogar das neue Jahrtausend gehört China.“ Der Andere lachte und sagte: „Das wird nicht leicht sein.“ 40 Jahre später haben einige Länder begonnen, von der „China-Bedrohung“ zu sprechen.  

Der Fleiß und der Unternehmungsgeist der Chinesen schockieren den Teil der Welt, der nicht flexibel genug ist, sich auf eine multilaterale Welt einzustellen und Chinas offene Angebote für Win-Win-Kooperationen anzunehmen. Eine deutsche Frau, die seit mehr als 20 Jahren in China lebt, sagte zu mir: „Man muss China nicht lieben, aber man muss akzeptieren, dass es da ist.“ 

Hier in Beijing, 8000 Kilometer von meiner Heimat entfernt, gibt es keine „Bedrohungen“. Ich treffe überall auf hilfsbereite Chinesen, sei es in Geschäften, U-Bahn-Stationen oder auf der Straße. Einmal, in der Anfangszeit, verirrte ich mich und ein Ehepaar brachte mich zurück zum Hotel, obwohl sie selbst in eine andere Richtung mussten. Ein anderes Mal half mir nachts ein zuvorkommender junger Mann, ein Taxi zu rufen und er bezahlte sogar die Fahrtkosten für mich. Ich erinnere mich nicht an solche Ereignisse, weil ich ein so tolles Gedächtnis habe, ich erinnere mich, weil es so viele dieser Ereignisse gab. Obwohl die Chinesen nicht so oft lächeln wie Deutsche, haben sie eine Art von Einfachheit und Güte, die tief in ihren Knochen verwurzelt ist. 

Neben dem eindrucksvollen wirtschaftlichen Aufstieg hat die Reform- und Öffnungspolitik auch das Bildungssystem Chinas revolutioniert. Der Zugang zu Bildung wurde drastisch erweitert, was zu einer besser ausgebildeten Bevölkerung und qualifizierten Arbeitskräften geführt hat. Dies hat nicht nur das allgemeine Bildungsniveau erhöht, sondern auch die Innovationskraft und die wissenschaftliche Forschung des Landes gestärkt. Das half, China als Zentrum für technologische Fortschritte und Entwicklungen zu etablieren.  

Während ich diese Worte am Computer schreibe, lebe ich bereits seit sechs Jahren in China und unterrichte inzwischen seit fast einem Jahr Wirtschaft, Sprachwissenschaften und Deutsch an der renommierten Universität für Außenwirtschaft und Handel (University of International Business and Economics, UIBE). Meine gewissenhaften und klugen Studenten, denen der Schalk genauso im Nacken sitzt wie manchem deutschen Studenten, zeigen große Kreativität beim Lösen von Aufgaben. Diese Studenten verdanken die Möglichkeit an Spitzen-Unis zu studieren den klugen Entscheidungen der Regierung im Rahmen der Reform und Öffnung. Viele Großeltern blicken mit Stolz auf ihre Enkel, welche die ersten Familienmitglieder sind, die eine solche Bildung erhalten können. 

Bedeutet aber letztlich eine solche Reform- und Öffnungspolitik, dass in China Reiche immer reicher werden und Schwache abgehängt werden? Nein, die Statistiken und die Bilder auf den Straßen geben eine eindeutige Antwort: Der Mittelstand ist so stark mitgewachsen wie in kaum einem anderen Land und die soziale Verantwortung ist in China sehr ausgeprägt. So werden in China zum Beispiel in Bussen oder zur Verkehrsaufsicht besonders ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung eingesetzt. Zudem sind Bildungsprogramme so angelegt, dass auch abgelegene Winkel davon profitieren. Für Spitzenlehrer aus Großstädten ist es eine Ehre zeitweise in Bergdörfern zu unterrichten und die dortigen Kollegen zu schulen. Dieser Gemeinschaftsgeist wird es China sehr weit bringen, noch weiter bringen.   

Als ich vor kurzem für ein Fußballspiel mit einem Hochgeschwindigkeitszug des Typs „Fuxing Hao“ mit einer Geschwindigkeit von 350 km/h von Beijing in die Innere Mongolei fuhr, musste ich grinsen, weil in Deutschland heute schon 200 km/h als schnell gelten, während man sich in China bald der Schallmauer nähert.  

Ich stamme aus einem Land mit Topmarken wie Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW, wo aber die Menschen immer noch Papierfahrkarten für den Zug und die U-Bahn verwenden. Viele Chinesen schätzen die Qualität deutscher Autos, welche auch schon seit langem direkt in China hergestellt werden. Neuerdings erfreuen sich jedoch auch immer mehr chinesische Marken ähnlicher Beliebtheit. Dies gilt besonders für Elektrofahrzeuge. In diesem Bereich wird China offenbar seine weltweite Führungsposition noch ausbauen können.  

China ist in den vergangenen Jahrzehnten global immer bedeutender geworden, ohne eine Führungsrolle anzustreben. Das Land hat aktiv an internationalen Kooperationen teilgenommen: durch Handelsabkommen, Investitionen in grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte oder multilaterale Initiativen wie die „Neue Seidenstraße“. Diese diplomatische und wirtschaftliche Expansion hat Chinas Einfluss gestärkt und seine Position als politischen Global Player gefestigt.

Die Reform- und Öffnungspolitik Chinas ist auch mit Herausforderungen verbunden. Dennoch bleiben die Ergebnisse dieser politischen Agenda beeindruckend. Die vergangenen 45 Jahre haben China zu einem Wachstums- und Innovationsmotor gemacht. Ich glaube, dass China dabei einen starken Selbstkorrekturmechanismus hat. China kann seinen eigenen Reformweg immer wieder durch eigene Praxiserfahrungen und genaue Beobachtung der Fehler des Westens wieder neu planen. Und ich glaube, dass mein Vater Recht hatte: Dieses Jahrhundert wird das Jahrhundert Chinas! 

*Nils Bergemann ist studierter Journalist mit langer Erfahrung als Redakteur und Kommunikationsexperte bei Verlagen und anderen Unternehmen. Zuletzt arbeitete er fünf Jahre für die China Media Group. Weiterhin in Beijing lebend unterrichtet er seit 2023 Deutsch, Sprachwissenschaften und Wirtschaft an der University of International Business and Economics. 

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