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Startseite >> 40 Jahre Reform und Öffnung

Teil 2: „Es ist mein Zeitalter, das mich nicht loslässt“

  ·   2018-07-17  ·  Quelle:Beijing Rundschau
Stichwörter: Reform und Öffnung;Filmindustrie;Jia Zhangke
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„Ohne Marktwirtschaft würde es keine Regisseure wie uns geben“ 

Nach drei langen Prüfungsjahren wurde der 23-jährige Kleinstadtjunge Jia Zhangke endlich in die Filmhochschule Beijing aufgenommen. Das war im Jahre 1993. 

Jia meinte, dass es eigentlich die schwierigste Zeit für die chinesische Filmindustrie gewesen sei, als er Film studierte. Zu dieser Zeit wurden viele traditionelle Kinos geschlossen. Was seine Heimatstadt Fenyang angeht, war aus einem Kino ein Möbelgeschäft geworden, aus einem anderen ein Supermarkt und so waren auf einmal alle Kinos in der kleinen Kreisstadt verschwunden. 

In der Transformation gibt es jedoch auch beispiellose Möglichkeiten. 

Jia sagte: „In der Vergangenheit gab es in China nur 16 staatliche Filmstudios. Es brauchte normalerweise viel Geld, um Filme zu machen. Wie kann man aber ohne Geld Filme drehen? Als ich meinen Filmtraum zu verfolgen begann, war die Ära der Marktwirtschaft in China glücklicherweise bereits angebrochen. Mit der immer aktiver werdenden Wirtschaft, der erhöhten Landesstärke sowie der offenen Filmindustriepolitik konnten wir durchaus Filme machen. Wenn die staatliche Unternehmen nicht investieren wollten, gab es auch private Unternehmen! Wenn der Privatsektor nicht investieren wollte, gab es auch Leute, die durch den Prozess der Reform und Öffnung zu Reichtum gelangt sind und die helfen wollten, richtig? Ich denke, dass dieses Phänomen wirklich ein Ergebnis der Ära darstellt. Meine persönlichen Träume, Gedanken und Bestrebungen stimmten gerade mit der gesellschaftlichen Atmosphäre und den wirtschaftlichen Bedingungen des ganzen Landes überein und so wurde ich zum Regisseur und drehe Filme. Bis jetzt. Ich habe also immer gesagt, dass ich ein Produkt der Marktwirtschaft bin. Ohne Marktwirtschaft würde es keine Regisseure wie uns geben.“ 

  

Jia Zhangke zu Beginn seiner Karriere als Regisseur 

„Die schmerzhaftesten Erfahrungen verfilmen“ 

Ursprünglich schlug sein Herz vor allem für die Kampfkunst. Als er aber 1997 die erste Gelegenheit hatte, einen Film zu drehen, entschied er sich dazu, ein vertrautes Thema aus dem wirklichen Leben zu verfilmen. Später erinnerte er sich daran, dass sich die chinesische Gesellschaft zu dieser Zeit in einem drastischen Wandel befand, und dieser Wandel faszinierte ihn und ermunterte ihn, mit dem Filme machen zu beginnen: „Weil ich herausfand, dass es in meinem Leben, besonders auch in dem Wandel, der in China seit den späten 1970er Jahren stattfand, sehr ernsthafte Themen gab, die durch eine ernsthafte Methode dargestellt werden mussten. Was ist eine ernsthafte Methode? Vor allem sollte es eine ehrliche Lebenserfahrung sein, die in dem individuellen, realen und schmerzhaften Leben verwurzelt ist. Ich wollte vor allem den schmerzhaftesten Ereignissen Ausdruck verleihen.“ 

Unter der Regie von Jia Zhangke gibt es Jugendliche aus ländlichen Gegenden zu sehen, die in der Metropole arbeiten, wandern, lieben und streiten; es gibt Industriearbeiter in abgelegenen Fabriken zu bestaunen, die fast in Vergessenheit geraten sind; es gibt auch ehemalige Kohlenbergbesitzer, die sich ins Ausland abgesetzt haben. 

Einige Leute meinten, dass sich seine Filme nur auf die Menschen aus unteren sozialen Schichten sowie soziale Randgruppen konzentrieren. Jia Zhangke stimmt dieser Meinung allerdings nicht zu und sagt, dass es ihm primär darum gehe, den Gewinn und den Verlust der gewöhnlichen Chinesen in Chinas großartigem Wandel darzustellen. Da er mit dem Leben in der Kreisstadt am besten vertraut ist, ein Leben, das weder das Geschehen in einer Metropole noch das Leben in einem ländlichen Gebiet widerspiegelt, wollte er genau dieses Leben ins Bild setzen. 

„Ich möchte die Verlierer aufzeichnen. In einer Zeit des Wandels gibt es immer Leute, die die Gelegenheit ergriffen und Erfolg erzielt haben, während es auch Leute gibt, die den Traum nicht verwirklichen konnten oder vom Ideal abweichen mussten. Ich habe nur gefilmt, was die einfachen Chinesen in dieser Zeit erlebt haben und wo ihre Liebe und Hoffnung liegt“, sagte Jia. 

Als eines der häufigsten chinesischen Gesichter auf internationalen Filmfestivals in den letzten 20 Jahren hat Jia Zhangke der Welt China aus seiner Perspektive gezeigt. Er bemerkte auch, dass China in den Augen der Welt vom ehemaligen „imaginären China“ zum „echten China“ geworden sei. Die Filme würden den Menschen zu verstehen geben, „was gerade in China passiert“ und „was die Chinesen denken“. 

„40 Jahre für die Ewigkeit dokumentiert“ 

Von den 16 staatlichen Filmstudios in der Vergangenheit bis zu den 2.000 privaten Filmgesellschaften heute, von einer praktisch inexistenten Kinoindustrie bis zu den weltweit zweitgrößten Kinokasseneinnahmen, hat die chinesische Filmindustrie in den vergangenen 40 Jahren ihren Tiefpunkt längst überschritten und zu neuer Vitalität gefunden. Im ersten Quartal des Jahres 2018 stellte der chinesische Filmmarkt mit einem exzellenten Einspielergebnis von 20 Milliarden Yuan (umgerechnet rund 2,5 Milliarden Euro) einen Rekord für die vierteljährlichen Kinokassen in einem einzigen Land auf und ist damit zum ersten Mal weltweit auf Platz eins gelandet. Auch wenn diese Spitzenposition nicht für die Qualität und den Einfluss der chinesischen Filme steht, spiegelt es dennoch zumindest die derzeitige Vielfältigkeit und Vitalität der Filmindustrie Chinas wider. 

Jia Zhangke erzählte, dass das Wertvollste sei, dass viele Regisseure, einschließlich ihm, gerade während diesen 40 Jahren die Möglichkeit hatten, Filme zu drehen und dadurch den Wandel Chinas dokumentieren zu können. Zahlreiche Bilder und Videos aus dieser spannenden Zeit bleiben den kommenden Generationen und dem Land an und für sich so erhalten. Nach vielen Jahren können die Leute so den Wandel und den Lauf der Geschichte so immer noch hautnah miterleben. „Die Reform und Öffnung war immer ein dynamischer Prozess und entwickelt sich bis heute immer noch. Darum habe ich auch nicht aufgehört. Von meinem ersten Film bis zum neuesten Film Asche ist reinstes Weiß gilt dieser Wandel stetig als der große Hintergrund meines Schaffens, weil es mein Zeitalter ist. Ich habe keine andere Wahl. Zudem regt mich diese Zeit immer an, über mich selbst in diesem Wandel nachzudenken. Eine gute Zeit ist eine Zeit, in der Menschen träumen und Träume verwirklichen können. Wenn eine Zeit die Vorstellungskraft der Menschen inspiriert und sie zu den Menschen machen kann, die sie sein wollen, dann ist es eine gute Zeit“, sagte er. 

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