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"China ist groß und reich an Geschichte"

Von Elke Lütke-Entrup  ·   2023-07-07  ·  Quelle:german.china.org.cn
Stichwörter: Denkmalschutz;China
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Während junge Menschen in die Städte ziehen, beherbergen Chinas ländliche Regionen historische Schätze. Dr. Hans-Wilm Schütte, renommierter Sinologe und Autor, hat in der Provinz Zhejiang Kulturgüter erforscht. Zahlreiche historische Dörfer dort waren einst reich und prachtvoll mit beeindruckenden Gebäuden, Tempeln und Privathäusern. Im Interview mit China.org.cn teilt er seine Entdeckungen und Einsichten zum Denkmalschutz in China.

China.org.cn: Herr Dr. Schütte, wie sind Sie auf die Idee gekommen, in der Provinz Zhejiang nach Denkmälern zu forschen? 

Dr. Hans-Wilm Schütte: Ich wurde von einem staatlichen Verlagskonzern, der Zhejiang Publishing United Group, in Zhejiangs Provinzhauptstadt Hangzhou im Jahr 2012 zu einem längeren Aufenthalt eingeladen, um über die Provinz zu schreiben. Denkmalschutz ist ein altes Interessengebiet von mir, und man war so freundlich, mich an mehreren historischen Orten mit den örtlichen Denkmalschützern zusammenzubringen. Auf diese Weise konnte ich Einblicke vor allem in Denkmalschutz auf dem Lande und dessen spezielle Probleme gewinnen, die viel mit Landflucht und der Überalterung von Dörfern zu tun haben sowie den dadurch ausgelösten Leerständen. Als Reiseführerautor und Reiseleiter war ich dem Thema aber schon deutlich früher begegnet.

  

Foto mit freundlicher Genehmigung von Hans-Wilm Schütte 

Welches sind wichtige historische Schätze, die heute noch in Zhejiang zu finden sind? Welche Geschichten verbergen sich dahinter? 

Neben überregional bekannten baulichen Anlagen wie dem Lingyin-Tempel in Hangzhou oder den Klöstern auf dem Putuo Shan besitzt die Provinz an die tausend historisch bedeutsame Dörfer. Viele davon sind Sippendörfer, dazu gehören ein meist recht repräsentativer Ahnentempel, verziert mit aufwendigen Holzschnitzarbeiten, Dorfteiche, öffentliche Pavillons und sehr schöne Ensembles aus traditionellen Wohnbauten. Auch mehrhöfige Residenzen wohlhabender Familien blieben erhalten. Die Geschichten dahinter sind die von konfuzianischen Beamtenkarrieren, denn die Bevölkerung von Zhejiang wahrte traditionell ein sehr hohes Bildungsniveau. Selbst in den Dörfern konnten zumindest die Männer meistens auch lesen und schreiben, gemäß dem Motto: „Scheint die Sonne, pflüge, regnet es, studiere!“ Unterstützt von der Sippe lernten Dorfsprösslinge oft mit erstaunlichem Erfolg, bis hin zur Hauptstadtkarriere. Historische Dorfschulen präsentieren heute noch stolze Namenslisten kaiserlicher Beamter, die dort einst als kleine Jungen die Schulbank drückten.

  

Foto mit freundlicher Genehmigung von Hans-Wilm Schütte  

Wie funktioniert Denkmalschutz in China? Welche Rollen spielen das Staatsamt für Kulturerbe, die lokalen Behörden und auch interessierte Privatpersonen? Wer sind diese Privatpersonen und warum setzen sie sich für den Denkmalschutz ein? 

Denkmalschutz ist in China wie anderswo in erster Linie eine staatliche Aufgabe. Entsprechende Institutionen gibt es auf gesamtnationaler Ebene, auf Provinzebene und auf der Ebene der Regionalregierungen (Kreise, Städte). Das Nationale Amt für Kulturerbe (National Cultural Heritage Administration) in Beijing ist die oberste Forschungsbehörde in diesem Bereich; sie veröffentlicht Ergebnisse in einem eigenen Verlag. Abgesehen von den bereits unter Schutz gestellten Objekten nationaler Bedeutung, bei denen der Erhalt im Vordergrund steht, fällt dem Denkmalschutz auf der untersten Ebene gerade für die Dörfer und historische Wohnbauten die Aufgabe zu, Bauwerke und Ensembles überhaupt erst zu evaluieren und gegebenenfalls für ihren Schutz zu sorgen. Dabei stellt sich auch die Frage der zukünftigen Nutzung. Privatpersonen können hier unterstützend tätig sein, indem sie sich z.B. darum kümmern, dass Bausubstanz nicht weiter verfällt, oder verhindern, dass noch ungesichertes Material (z.B. Schnitzwerk) gestohlen wird. In einem Fall, der mir bekannt wurde, fördert eine von Einwohnern gegründete Entwicklungsgesellschaft den Unterhalt historischer Bauten im Interesse des örtlichen Fremdenverkehrs.

  

Foto mit freundlicher Genehmigung von Hans-Wilm Schütte 

Welche Anstrengungen unternimmt die chinesische Regierung, um die Kulturgüter, bzw. die historischen Dörfer zu schützen? Wie würden Sie den Stellenwert des Denkmalschutzes in China beschreiben und hat sich dieser im Laufe der Zeit verändert? 

China ist groß und reich an Geschichte, entsprechend ist der Denkmalschutz eine riesige und endlose Aufgabe. Im Jahr 2009 wurde die Gesamtzahl der denkmalschutzwürdigen Stätten landesweit auf rund 800.000 geschätzt, aber die meisten verschwinden schneller, als die Denkmalschützer mit der Evaluierung und Unterschutzstellung hinterherkommen. Die Zahl der Denkmäler von nationaler Bedeutung liegt derzeit nur bei gut 5000, davon sind gut 1600 archäologische Stätten. Zählt man Denkmäler auf Provinz-, Stadt- und Kreisebene hinzu, liegt die Zahl bei knapp 140.000.

Die Lage des Denkmalschutzes ist von Ort zu Ort verschieden: schwierig, wo Investitionen und Modernität von vorrangigem Interesse sind, besser, wo der Stolz auf ein einmaliges Erbe dominiert. Dabei kommt es auf den unteren Verwaltungsebenen oft auf einzelne Funktionsträger wie den Bürgermeister oder einen örtlichen Parteisekretär und dessen Aufgeschlossenheit für Fragen des Denkmalschutzes an. Wo Desinteresse besteht, haben Denkmalschützer schlechte Karten, allerdings kann auch die höhere Verwaltungsebene eingreifen, wenn das Objekt wichtig genug erscheint. Tendenziell hat sich die Situation gegenüber früher verbessert. Inzwischen besitzen Chinas Denkmalschützer reiche Erfahrung, und viele können, gerade was den Erhalt oder die Restaurierung historischer Ensembles angeht, auf Erfolge verweisen. Es sind Leuchttürme für Kollegen an anderen Orten, zuweilen auch im Hinblick auf eine wirtschaftlich erfolgreiche Umnutzung. Außerdem wissen sie heute sehr gut, wie es im Ausland läuft – ganz im Gegensatz zu der bei uns vorherrschenden Ignoranz, wenn es, egal auf welchem Gebiet, um China geht. Eine förderliche Rolle, was Leuchtturmprojekte angeht, spielen übrigens Chinas Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes. Sie verpflichten zu hohen Standards, und selbst einige Dörfer haben es auf die Liste geschafft.

  

Foto mit freundlicher Genehmigung von Hans-Wilm Schütte 

Wie wird sich der Denkmalschutz in China Ihrer Meinung nach weiterentwickeln? 

Man darf vermuten, dass sich der Denkmalschutz noch stärker auf ländliche Bauten fokussieren wird. Außerdem dürften neuere Baudenkmäler ins Blickfeld geraten, stilbildende oder örtlich stilprägende Bauten und Ensembles aus der Zeit nach der Staatsgründung. Von den noch älteren Bauten der Kolonialzeit stehen bereits heute viele unter Denkmalschutz. Der Shanghaier Bund ist das berühmteste Beispiel dafür. Das Bewusstsein für den Wert, den historische Bauwerke für das eigene Selbstverständnis und die kulturelle Identität haben, scheint zuzunehmen.

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Adresse: BEIJING RUNDSCHAU Baiwanzhuanglu 24, 100037 Beijing, Volksrepublik China


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