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Bildung als Garant: Chancengleichheit auf dem tibetischen Hochplateau

Von Li Guowen  ·   2023-12-14  ·  Quelle:german.chinatoday.com.cn
Stichwörter: Tibet;Bildung
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Rolbo Gyaso ist Hirte. Er lebt mit seiner Familie in Xênkyêr, einer kleinen Gemeinde im Autonomen Gebiet Tibet, die verwaltungsmäßig zur Stadt Nagqu gehört. Der 39-Jährige hat einen Sohn und eine Tochter. Sein 15-jähriger Sohn besucht die achte Klasse, die 9-jährige Tochter die dritte Grundschulklasse. In den weitläufigen, dünn besiedelten Graslandschaften Nordtibets, wo durchschnittlich nur eine Person auf einen Quadratkilometer kommt, war es schon immer ein Ziel der lokalen Regierung, den Kindern der Hirten zu einer guten Ausbildung zu verhelfen. Mit ihren aktuell 1500 Einwohnern hat die Gemeinde Xênkyêr eine eigene Grundschule. 

Bis vor drei Jahren besuchte Rolbo Gyasos Sohn diese örtliche Grundschule in der Gemeinde, fast 50 Kilometer von seinem Zuhause entfernt. Im Jahr 2021, als seine Tochter eingeschult wurde, wechselte Rolbo Gyaso dann gemeinsam mit ihr in eine Internatsschule in etwa 200 Kilometer Entfernung, eine Einrichtung, die von der Sinopec-Gruppe gefördert wird.  

Internatsbildung als beliebte Lösung  

Rolbo Gyasos eigene schulische Ausbildung in Kindertagen vor gut drei Jahrzehnten habe damals noch sehr zu wünschen übrig gelassen, erzählt uns der Mann. Ein paar Jahre lang habe er eine örtliche „Zeltschule“ besucht, erinnert er sich. „Es gab häufig Lehrerwechsel und auch die Unterrichtszeiten und -orte variierten ständig.“ Das habe sich auf die Unterrichtsqualität niedergeschlagen. Systematisches Lernen war für ihn und seine Altersgenossen damals Fehlanzeige. 

Historisch bedingt und auch aufgrund der lokalen Gegebenheiten des Kreises Bangoin, in dem die Gemeinde Xênkyêr liegt, hinkte die Bildung in der Region lange hinterher. Guter Unterricht war Mangelware. Vor der Errichtung der Sinopec-Grundschule besuchten schulpflichtige Kinder aus dem Weidegebiet des Kreises stets Grundschulen der zehn Gemeinden, nach dem Prinzip der Einschulung in Wohnortsnähe. 

  

Lächeln bitte: Schüler des Sinopec-Internats im Kreis Bangoin der Stadt Nagqu posieren für ein Gruppenfoto. 

Seit 2021 besuchen nun beide Gyaso-Kinder das neue Internat in der Kreisstadt. Jedes Wochenende veranstaltet die Schule einen Tag der offenen Tür. „Manchmal komme ich dann von der 200 Kilometer entfernten Weide in die Kreisstadt, um meine Kids zu besuchen. Manchmal bitte ich aber auch meine Verwandten vor Ort, den Kindern ein bisschen die Gegend zu zeigen“, sagt der Familienvater.   

Laut Ngawang Wangdu, dem Rektor der Sinopec-Grundschule, ging die Grundschule 2012 in Betrieb. Derzeit zählt sie rund 1300 Eleven, wobei die Eltern entscheiden, ob sie ihre Kinder im Internat der Schule unterbringenwollen oder nicht. Die meisten Schüler der unteren Klassen (Klassen eins bis drei) seien Tagesschüler, so der Rektor, die täglich von ihren Erziehungsberechtigten abgeholt und am nächsten Morgen wieder abgesetzt würden. Internatsschüler zähle die Einrichtung derzeit über 700. Die meisten davon besuchten die Klassen vier bis sechs, wobei die Zahl der Internatsschüler von Jahr zu Jahr zunehme. 

Die meisten Eltern entschieden sich für die Internatsoption, wenn das eigene Zuhause zu weit von der Schule entfernt liege, so Ngawang Wangdu. Auch sei es vielen Eltern aus beruflichen Gründen nicht möglich, ihre Kinder jeden Tag pünktlich zu bringen und abzuholen. 

Vor der Reform und Öffnung, bis 1978 also, setzte Tibet auf eine Politik des Schulbetriebs in der Nähe der Wohnstätten. Damals verfügte noch jedes Dorf über eine eigene Grundschule. Insgesamt gab es im gesamten Autonomen Gebiet damals gut 6800 Grundschulen mit durchschnittlich 38,5 Schülern pro Schule und weniger als zehn Schülern pro Jahrgang. Die Schulen waren also klein und es mangelte an Fachlehrern, weshalb die Lehrkräfte fächerübergreifend als Allrounder unterrichteten. Damals prägte sich der Begriff der 1+10-Schulen (ein Lehrer für zehn Schüler in der gesamten Schule). 

In den Hirtengebieten gab es damals sogar Zeltschulen und „Schulen auf dem Pferderücken“. Statistiken zeigen auch, dass die Einschulungsquote 1978 in Tibets Mittelschulen bei gerade einmal 6,5 Prozent, die Einschulungsquote in weiterführenden Schulen sogar nur bei 5,3 Prozent lag. Nur sehr wenige Schüler aus ländlichen Gebieten schafften den Sprung an eine Mittelschule. Zwischen Stadt und Land klaffte bildungsmäßig eine große Lücke. 

Auf dem zweiten Zentralen Symposium über die Arbeit in Tibet im Jahr 1984 schlug die Zentralregierung als Reaktion auf die Mängel im lokalen Bildungswesen vor, auf ein Internatssystem in den von Land- und Viehwirtschaft geprägten Gebieten zu setzen, wobei die Zentralregierung finanzielle Unterstützung zusicherte. Damit fiel der Startschuss für die rasche Entwicklung der Internatsschulen in Tibet. 

Fang Xiaoling, assoziierte Forscherin an der Akademie der Sozialwissenschaften des Autonomen Gebiets Tibet, sagte in einem früheren Interview, die lokalen Regierungen mäßen dem Betrieb der Internate große Bedeutung bei. Die örtlichen Bildungsressourcen seien erfolgreich integriert worden, wodurch sich die Qualität der Bildung erheblich verbessert und die Kluft zwischen städtischen und ländlichen Schulen verringert habe, sagt sie. Mittlerweile sind die örtlichen Internate eine beliebte Option, da sie nicht nur den realen Bedürfnissen der Bauern- und Hirtenkinder nach gleichberechtigter Bildung gerecht werden, sondern auch viele organisatorische Probleme im Alltag lösen, etwa die Frage nach dem Bringen und Abholen der Kinder angesichts berufstätiger Eltern. Das Zusammenspiel vieler Faktoren hat dafür gesorgt, dass Internate in vielen landwirtschaftlichen und pastoralen Gebieten Tibets zu einer gängigen Wahl für lokale Regierungen und Familien geworden sind. 

Nach Angaben des Pressebüros der Regierung des Autonomen Gebiets gab es 2022 in Tibet insgesamt 3339 Schulen aller Arten und Stufen mit 920.000 Schülern (bei einer Gesamtbevölkerung von 3,64 Millionen Menschen). Die Einschulungsrate für die Grundschule lag bei 99,96 Prozent, die der weiterführenden Schulen bei 90,25 Prozent. Die durchschnittliche Anzahl der Bildungsjahre pro Person der neu hinzugekommenen Erwerbsbevölkerung wird mit 13,1 Jahren beziffert. 

Ob Schüler der Sinopec-Grundschule im Internat wohnen oder nicht, entschieden ausschließlich die Bauern und Hirten selbst, je nach familiärer Situation und den Wünschen der Kinder, betont Schulleiter Ngawang Wangdu. „In unserer Schule gibt es auch Eltern, die in der Kreisstadt wohnen, die ihre Kinder morgens zur Schule bringen und abends wieder abholen. Es gibt sogar Großeltern aus den Hirtengebieten, die extra eine Wohnung in der Kreisstadt mieten, um ihre Enkelkinder zur Schule zu bringen und abzuholen und sich um deren Alltag zu kümmern“, sagt der Rektor.  

Drei-Garantien-Politik trägt zur Bildungsentwicklung bei 

Die Internatsschulen werden unter strikter Einhaltung der einschlägigen Baunormen des Staates und des Autonomen Gebietes errichtet, bieten günstige Lernbedingungen und gut ausgestattete Wohneinrichtungen. Zudem werden sie vollständig von der Regierung finanziert. Nach Angaben des Pressebüros der Regierung des Autonomen Gebiets hat Tibet der Entwicklung des Bildungswesens Priorität eingeräumt und finanziert als landesweit erste Region 15 Jahre Schulbildung aus öffentlicher Hand. Außerdem setzt Tibet die sogenannte Drei-Garantien-Politik für Kinder aus Bauern- und Hirtenfamilien um, die von den Kosten für Essen und Unterkunft sowie den grundlegenden Schulgebühren befreit werden. 

Und wie sieht es mit der Schulverpflegung aus? Bei den drei Mahlzeiten der Schüler orientiere sich die Schule nicht nur an nationalen Standards, sondern trage auch den traditionellen Essgewohnheiten der ethnischen Gruppen Rechnung, sagt Ngawang Wangdu. Beispielsweise gebe es zum Frühstück Tsampa und süßen Schwarztee, beides lokale Spezialitäten, zum Mittag- und Abendessen jeweils vier Gerichte und eine Suppe. Als Beilagen gebe es nicht nur gebratenen Reis, Reisbrei oder Dampfbrötchen, sondern auch typisch tibetische Knödel. Zusätzlich zu den drei Mahlzeiten am Tag würden Milch und Brot in der Pause verteilt. 

Wie das Bildungsamt des Autonomen Gebiets kürzlich mitteilte, wurde der Standard für die finanzielle Unterstützung von Schulen seit der Einführung der Drei-Garantien-Politik im Jahr 1985 insgesamt 20 Male angehoben. Wer nach Herbst 2023 eingeschult wurde, für den sieht die Regierung heute je nach Höhenregion 3930 bis 4130 Yuan pro Schüler und Jahr für die Vorschulstufe, 4430 bis 4630 Yuan für die Pflichtschulstufe und 4930 bis 5130 Yuan für die weiterführende Schulbildung vor. 

Jeder Cent der im Rahmen der Drei-Garantien-Politik bewilligten Mittel werde tatsächlich für die Schüler ausgegeben, versichert der Rektor. Nicht nur Essen und Unterkunft seien kostenlos, sondern auch die Schuluniformen, die Bettwäsche und selbst Hygieneartikel. Rolbo Gyaso gibt für die Ausbildung seiner Kinder so gut wie nichts aus, bestätigt er, was die Familie finanziell stark entlastet habe. 

Um das Gefühl der Teilhabe an den Früchten der Entwicklung und das Glücksgefühl bei den tibetischen Lehrern und Schülern zu stärken, hat das Autonome Gebiet in den letzten Jahren außerdem 3,085 Milliarden Yuan investiert, um ein Projekt zur flächendeckenden Versorgung mit Schulheizung umzusetzen. Das Projekt wurde im September 2023, also noch vor der Einschulung, abgeschlossen, seitdem erhalten alle Schulen in Tibet eine flächendeckende Wärmeversorgung, wovon 270.000 Schüler profitieren. 

Chinesisch und Tibetisch – beide sind unverzichtbar 

Wenn man den dritten Kindergarten mit angeschlossener Grundschule des Bezirks Seni in der Stadt Nagqu betritt, fallen einem der Name der Einrichtung, das Motto und die Straßenschilder ins Auge. Alle sind in chinesischer und tibetischer Sprache zu lesen. Tatsächlich sind alle Schilder und Geschäftsnamen in jeder Stadt, Gemeinde und in jedem Dorf der Gegend hier zweisprachig. 

  

Lernen soll Spaß machen: Schülerinnen und Schüler des dritten Kindergartens mit angeschlossener Grundschule des Bezirks Seni in Nagqu beim Sportunterricht. 

Tsring Udrup, stellvertretender Rektor besagter Einrichtung, erklärt uns, dass die Schule das Erlernen und den Gebrauch der tibetischen Sprache garantiere und gleichzeitig Mandarin fördere. „Der Lehrplan ist so aufgebaut, dass der Unterricht in der nationalen Standardsprache und in Tibetisch im Verhältnis 1:1 stattfindet, beide mit sechs Unterrichtsstunden pro Woche und einem weiteren Unterricht in tibetischer Kalligraphie“, so Udrup. 

Das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene „Gesetz der Volksrepublik China über die national gebräuchliche Sprache und Schrift“ sieht vor, dass der Staat die Verwendung von Mandarin und die Einführung von chinesischen Standardzeichen fördert. Gleichzeitig wird betont, dass alle ethnischen Gruppen die Freiheit haben, ihre eigene Sprache und Schrift zu erlernen, zu benutzen und zu entwickeln. Offizielle Landessprache und lokal gebräuchliche Sprachen der ​ethnischen Minderheiten bestehen also parallel. 

Bereits vor zehn Jahren hat das Pressebüro beim Staatsrat ein Weißbuch über die Entwicklungen und Fortschritte in Tibet veröffentlicht, in dem bekanntgegeben wurde,​ dass Ende 2012 insgesamt 282.914 der Grundschüler an tibetischen Grundschulen zweisprachig unterrichtet wurden und damit 96,88 Prozent aller tibetischen Grundschüler. 

Die assoziierte Forscherin Fang Xiaoling sagt, dass das derzeitige Modell des zweisprachigen Unterrichts einerseits sicherstelle, dass Schülerinnen und Schüler der ethnischen Minderheiten die Grundlagen der national gebräuchlichen Hochsprache und -schrift beherrschten und anwenden könnten, um ihre Fähigkeiten zur Integration in die moderne Gesellschaft und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Andererseits werde durch das duale System das Recht der jungen Menschen, in ihrer eigenen Sprache und Schrift unterrichtet zu werden, respektiert und garantiert. Das Niveau des Unterrichts in Minderheitensprachen sei kontinuierlich verbessert worden. Auch sei man darauf bedacht, dass die örtliche traditionelle Kultur nicht verloren gehe. Den Fokus auf nur eine der beiden Sprachen zu legen, sei eindeutig zu einseitig. Da sind sich die Experten einig. 

Der zweisprachige Unterricht ermöglicht es den tibetischen Schülern also, sich erfolgreich in die moderne Gesellschaft einzufinden und gleichzeitig die traditionelle tibetische Kultur ihrer Eltern und Großeltern zu bewahren. Letztlich kann die tibetische Kultur eben nur dann erfolgreich weitergegeben werden, wenn sie in der modernen Gesellschaft ankommt, überlebt und sich dort weiterentwickelt. 

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