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Leopold Leeb – Wie ein Professor aus Österreich den Chinesen Latein näherbringt

Von Zhang Hong  ·   2017-10-10  ·  Quelle:CHINA HEUTE
Stichwörter: Leopold Leeb;Österreich;Latein
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Auf Tuchfühlung mit der europäischen Kultur 

Im interkulturellen Austausch beschäftigt sich Leeb besonders mit einigen zentralen Fragestellungen: Wie kann China mit seiner alten, hochentwickelten Zivilisation in die moderne Welt integriert werden? Welche Möglichkeiten gibt es für einen solchen internationalen Anschluss? Und wo liegen die am tiefsten verwurzelten Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen der europäischen und der chinesischen Kultur? 

Was sein Steckenpferd, den Kulturaustausch, angeht, zollt Leeb besonders europäischen Brückenbauern aus alten Zeiten hohe Anerkennung. Aus seiner Sicht ist der italienische Jesuit und Priester Matteo Ricci (1552 – 1610) der erste Sinologe Europas. „Erst über Matteo Ricci haben die Europäer begonnen, die chinesische Geschichte und Philosophie kennen zu lernen. Ricci war nämlich der Erste, der Werke vom Altgriechischen ins Chinesische übersetzt hat“, sagt Leeb. Der von Ricci angestoßene Austausch zwischen der chinesischen und der westlichen Zivilisation wirkt bis in die Gegenwart fort. 

Leeb sieht sich selbst als Nachkomme solcher früher Brückenbauer und sein Traum ist es, in ihre Fußstapfen zu treten. An der Renmin-Universität leitet der 50-Jährige heute nicht nur Seminare in Latein, sondern auch in Altgriechisch und Hebräisch. „Diese drei Altsprachen sind repräsentativ für die westliche Kultur“, erklärt er und fährt fort: „Latein liegt dem westlichen Rechtswesen zugrunde, im Altgriechischen sind zahlreiche literarische Werke verfasst und Hebräisch verkörpert die Tradition des westlichen religiösen Glaubens.“ 

Leeb ist überzeugt, dass die Altsprachen zur geistigen Durchdringung der Ideengeschichte der Welt beitragen können. „Die meisten Begriffe und Kategorien der Gedankenwelt der modernen Menschen entspringen diesen Quellen“, sagte er. Was Europa China gebracht habe, zeige sich am deutlichsten in dem Wort „Gesetz“ – sei es „Gesetzgebung“ (lìfǎ), „Gesetz der Sprache“ (Grammatik) (yǔfǎ) oder „Gesetze“ (fǎlǜ). „Wenn heute von der gesetzesgemäßen Verwaltung des Staates in China gesprochen wird, sollte man von der lateinischen Tradition lernen, da China nur über wenige kulturelle Ressourcen im Rechtswesen verfügt“, so der Philologe und Philosoph.   

Während es vor zehn Jahren noch schwierig gewesen sei, in China Bücher über das europäische Mittelalter zu finden, habe mittlerweile ein Wandel eingesetzt. „Heute wollen immer mehr Menschen in China die tragenden Strukturen der modernen westlichen Gesellschaft, das grundlegende Gedankengut der westlichen Rechtsstaatlichkeit und die Rolle der juristischen Seminare im europäischen Mittelalter besser verstehen. Das historische Bewusstsein entwickelt sich unaufhaltsam. Die Menschen hier wollen sich ein möglichst vollständiges und objektives Bild von der Welt machen“, sagt der China-Kenner. 

Was die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der östlichen und der westlichen Zivilisation angehe, sagt der Experte, dass diese zwei Systeme über viele gemeinsame Werte verfügten. „Hierzu zählen etwa das Streben nach Wissen, allgemeine Nächstenliebe sowie Werte wie Fairness und Gerechtigkeit.“ Aus seiner Sicht zählt die chinesische Sprache zu den wichtigsten Weltsprachen. Sie übernehme und schöpfe viele neue Begriffe. „In den vergangenen gut 150 Jahren wurden zahlreiche westliche Werke ins Chinesische übersetzt. Wir sprechen also heute gewissermaßen die gleiche Sprache. Zwar lesen die Chinesen eine chinesischsprachige Übersetzung, aber sie beteiligen sich genauso am Dialog mit dem Rest der Welt wie wir.“  

Bis heute hat Leeb mehr als 2000 chinesische Studenten in der lateinischen Sprache ausgebildet. Einige haben sich später für einen Job in einer Verlagsredaktion entschieden, andere sind mittlerweile selbst als Lehrer tätig, wieder andere absolvierten ein Aufbaustudium im Ausland. Das wachsende Interesse an der klassischen Sprache hat dafür gesorgt, dass mittlerweile auch mehr Lehr- und Wörterbücher sowie grammatische Kompendien auf dem Markt sind. Auch viele andere thematisch verwandte Bücher sind mittlerweile erschienen und auch Leebs Seminare erfreuen sich wachsenden Zuspruchs. „Immer mehr Bücher stehen heute in direktem oder indirektem Zusammenhang mit dem Lateinlernen in China. Besonders zu erwähnen ist beispielsweise eine neu erschienene umfangreiche chinesisch-lateinische Grammatik“, so der Wissenschaftler. 

„Es gibt zu wenige Sinologen, viel zu wenige“ 

Sun Yu, Dekan der Philologie-Fakultät der Renmin-Universität, schreibt im Geleitwort zu Leebs Buch „Wǒ de língdū“: „Im Gelehrten Leeb lässt sich der Stil des Benehmens der Klassiker aus alter Zeit wiedererkennen.“ Und weiter heißt es: „Über Leeb erfahren wir viele Geschichten, die ohne ihn vielleicht in Vergessenheit geraten wären.“ Sun spielt damit unter anderem auf den Chinesen Fan Shouyi an, der als erster einen Reisebericht über Europa verfasst hat sowie den ersten chinesischen Auslandsstudenten in Europa Zheng Manuo und die früheste Bibliothek für westliche Bücher. Im Geleitwort schreibt Sun außerdem, Autor Leeb schenke den Weltreisenden große Aufmerksamkeit und er bedauere es, dass die Chinesen diesem Teil der Geschichte bisher nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hätten. 

Für viele seiner chinesischen Kollegen zählt Ausländer Leeb mittlerweile als „einer von ihnen“. Als der Vizerektor der Renmin-Universität Yang Huilin vor einiger Zeit einmal nach Italien reiste und von einem Freund für einen zweijährigen Lehraufenthalt an der Universität Rom empfohlen wurde, musste Yang aus verschiedensten Gründen ablehnen. Er versprach aber stattdessen, einen Gelehrten zu empfehlen, dessen Niveau der westlichen Sprachen höher als seines sei und das der chinesischen Sprache ebenfalls nicht niedrig. Der Gastgeber nahm diese Empfehlung mit Freude an. Doch als die Bitte an Leeb herangetragen wurde, schrieb dieser: „Ich freue mich sehr, dass Sie mich als chinesischen Gelehrten empfohlen haben. Aber ich möchte doch lieber in Beijing bleiben.“ 

Dabei mangelt es im europäischen Raum noch immer an Sinologen und China-Experten. „Es gibt zu wenige Sinologen, viel zu wenige“, sagt der Österreicher mit Bedauern. Als Mittler, der selbst Brücken zwischen der östlichen und westlichen Zivilisation schlägt, bezeichnet Leeb seine Wahlheimat Beijing auch gerne als „Rom des Ostens“. Was soziale Kontakte und die Teilnahme an alltäglichen Vergnügungen angeht, führt der 50-Jährige in Beijing allerdings eher ein zurückhaltendes Dasein. Auch eine Familie hat der Österreicher nicht. Dazu schreibt Dekan Sun: „Leebs Schriften verkörpern einen Altruismus. Unter Verzicht auf irdische Freuden widmet er den größten Teil seines Lebens dem wissenschaftlichen Fortkommen Beijings, ja ganz Chinas. Als Ausländer verkörpert er einen Geist der allgemeinen Liebe für China, ja es ist nicht übertrieben, von einem Geist der Aufopferung zu sprechen.“ 

In seiner Laufbahn hat Leeb bereits 40 Bücher veröffentlicht. Sie stehen in Reih und Glied in einem Bücherregal in der Ecke seines Büros. Seine neueste Publikation ist das zweisprachige Buch „Auf Wiedersehen, Peking!“, in dem er den vielerorts längst in Vergessenheit geratenen Ordensbruder und Maler Berchmans Brückner und dessen Wirken in China im Jahr 1949 beschreibt. Das Geleitwort des Buches stammt aus der Feder des österreichischen Botschafters in China. 

Auch als Übersetzer hat sich Leeb im Reich der Mitte übrigens längst einen Namen gemacht. So hat er unter anderem das Werk „Augustin Henninghaus. 53 Jahre Missionar und Missionsbischof. Ein Lebensbild“ 

Leeb, der aus dem kleinen Österreich stammt, dessen Fläche gerade einmal einem Prozent des chinesischen Territoriums entspricht, ist zudem ein passionierter Radfahrer. In Beijing radelt er gerne aus dem Stadtzentrum in die Vorstadt Tongzhou. Diese Strecke habe er mit dem Velo schon mehr als eintausend Male zurückgelegt. „Die meisten Chinesen schätzen die Größe. Je größer, desto besser, so das Motto. Und die Chinesen haben auch stets die Gesamtlage des Landes im Blick, eine Leistung, die für mich kaum fassbar ist“, sagt der Alpenländer und lacht. „Unter geographischem Aspekt kann ich China gar nicht richtig verkraften. Eine chinesische Provinz ist ja teilweise zehnmal so groß wie mein ganzes Heimatland.“ 

Dank seiner langjährigen Lehrtätigkeit attestieren viele dem 50-Jährigen ein profundes Chinawissen. Doch Leeb bleibt bescheiden. „Nein, ich bin ja noch nicht einmal in der Lage, die Stadt Beijing richtig zu verstehen“, sagt er. „Diese Stadt ist viel zu groß. Ich kann nur sagen, dass ich den Campus der Renmin-Universität einigermaßen kenne“, sagt er augenzwinkernd. 

Auf seine enge Verbundenheit mit Chinas Hauptstadt angesprochen, kommt er sofort ins Schwärmen. „Beijing kann auf eine lange Geschichte zurückblicken und strahlt für mich eine Art mütterlichen Charme aus“, sagt er. „Sie ist bereits ein Teil meiner geistigen Welt geworden.“ 

Kein Wunder also, dass sich Leeb selbst gerne als „fröhlichen Beijinger“ bezeichnet. Er sei dankbar dafür, dass die Stadt heute sein geistiges Elysium bilde. Fasziniert von der Geschichte und Kultur möchte er hier auch weiterhin seinen Forschungen nachgehen. „Ich mag die Stadt einfach. Sie hat mir über die Jahre mehr gegeben, als ich ihr zurückgegeben kann.“ 

 des deutschen Historikers Hermann Fischer ins Chinesische übersetzt. Derzeit arbeitet Leeb in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Verlag New Star Press gleich an vier Übersetzungsprojekten, darunter die Werke „Nestorianismus in China“ und „Vor der ausgehenden Ming-Zeit bis ins 19. Jahrhundert“. Außerdem möchte er in naher Zukunft noch das chinesischsprachige „Lexikon der Geschichte des Christentums in China“ durch Ergänzungen zu einer englischsprachigen Fassung verarbeiten. „Bisher gibt es im Ausland nämlich kein gutes Nachschlagwerk zu diesem Thema“, sagt er. 
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