26-11-2014
Im Focus
Immer mehr Chinesen machen Urlaub in Deutschland
von Florence Schulz

Die chinesische Mittelschicht wächst und mit ihr die Zahl der Menschen, die ihren Urlaub außerhalb Chinas verbringt. Allein im Jahr 2012 zählte das Statistische Bundesamt über 1,5 Millionen Übernachtungen von chinesischen Gästen in Deutschland, Tendenz rapide steigend.

Dass Chinesen als Kunden für die deutsche Tourismusindustrie großes Potenzial haben, ist keine Neuigkeit. Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am 10. Oktober dieses Jahres in Berlin beschlossen daher beide Länder, ihre Visaverfahren zu vereinfachen, um sich dem wachsenden Reisestrom anzupassen.

Um chinesische Reiseveranstalter über das Thema Visum zu informieren und Deutschland als Reiseland zu präsentieren, veranstaltete die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) am 17. November in Beijing eine Konferenz zum Thema „Tourismus in Deutschland". Anke Schlimm, Leiterin der Abteilung für Rechts- und Konsularangelegenheiten an der Deutschen Botschaft in Beijing, erläuterte dabei die Kernpunkte des vereinfachten Visaverfahrens.

Da allein im Jahr 2013 über 310.000 Visumsanträge in China gestellt wurden, ist die Eröffnung einer Reihe weiterer Visa-Annahmestellen in Planung. Die Bearbeitung der Anträge für Kurzzeitvisa, die bereits größtenteils an einen externen Serviceanbieter ausgelagert wurde, soll innerhalb von 48 Stunden erfolgen. Darüber hinaus sollen Mehrjahresvisa, die mehrfache Einreisen in den gesamten Bereich der Schengenstaaten erlauben, für bis zu fünf Jahre ausgestellt werden. Das ist besonders für Geschäftsleute, die regelmäßig nach Deutschland reisen müssen, eine erfreuliche Nachricht.

Im nächsten Jahr soll außerdem ein neues Visa-Informationssystem für Einreisen in den Schengenraum eingeführt werden, das die biometrischen Daten aller Reisenden speichert und den Antragsvorgang zusätzlich beschleunigen soll. Obwohl der Antrag für ein bis zu 90-tägiges Schengenvisum eine Reihe von Dokumenten erfordert, darunter eine Auslandskrankenversicherung und einen Finanzierungsnachweis, werden nach Angaben von Anke Schlimm im Schnitt 96 Prozent der Visa bewilligt.

 

Shopping und saubere Luft

Mit Blick auf die steigenden Zahlen chinesischer Touristen in Europa drängt sich die Frage auf, was eigentlich den Reiz von Deutschland als Zielland ausmacht. „Deutschland ist ein grünes Land mit sauberer Luft und wunderschönen Landschaften. Darüber hinaus sind wir ein gastfreundliches Land mit Tradition, das wissen die Chinesen zu schätzen", erläuterte Till Weigl, Destinationsmanager bei der DZT und verantwortlich für den asiatischen Markt. Um das Image Deutschlands als traditions- und umweltbewusstes Land zu stärken, setzt die DZT bei ihren jährlichen Marketingkampagnen entsprechende Schwerpunkte. 2014 steht unter dem Motto „UNESCO-Welterbe in Deutschland", im nächsten Jahr soll der Fokus auf Traditionen und Brauchtum Touristen anlocken.

Für Besucher ist auch die Vielzahl an Nationalparks und Naturschutzgebieten reizvoll, allein 39 UNESCO-Weltkulturerbestätten befinden sich in Deutschland. Auch das kulturelle Angebot in Form von Museen, Theatern und Opern ist eine Touristenattraktion. Für Geschäftsreisende ist Deutschland mit einem Anteil von rund zwei Dritteln aller global führenden Messen ohnehin ein wichtiges Reiseziel.

Chinesische Gäste lockt aber noch etwas anderes: „Shopping ist ein wichtiges Leitthema für den chinesischen Markt", sagt Weigl. Die kauffreudigen Touristen erfreuen sich an Qualität „Made in Germany" zu erschwinglichen Preisen und an den umfangreichen Einkaufsmöglichkeiten in Deutschland. China ist dabei Spitzenreiter und führte bereits 2012 mit einem Anteil von 32 Prozent am gesamten Tax-Free-Einkauf das internationale Shopping-Ranking an. Im Schnitt verbringt ein chinesischer Tourist 6,5 Tage im Land und gibt dabei 2996 Euro aus. Statussymbole sind wichtig in China, und Deutschland liefert die entsprechenden Designermarken, Shoppingmalls und Luxusartikel. Der Frankfurter Flughafen bietet chinesischen Reisenden inzwischen sogar sprachkundige „Personal Shopper" an, die mit Rat und Tat bei der Auswahl und der Rückerstattung der Mehrwertsteuer zur Seite stehen.

 

Großes Potenzial für Deutschlands Tourismusindustrie

Die wachsende chinesische Mittelschicht, die genügend finanzielle Mittel besitzt, um in den Westen zu reisen, birgt gewaltiges Potenzial, das weiß die Deutsche Zentrale für Tourismus. Um das Image Deutschlands als Urlaubsland zu stärken und sich gut auf dem asiatischen Reisemarkt zu positionieren, ist die DZT in China besonders aktiv mit Werbemaßnahmen vertreten. In Beijing, Guangzhou, Hongkong und Shanghai organisiert sie jedes Jahr Infoveranstaltungen für Reiseunternehmer, sogenannte Roadshows,  sie informiert in sozialen Medien und präsentiert sich auf Messen wie zuletzt auf dem China International Travel Mart (CITM). Es geht vor allem darum, Kontakte zwischen der deutschen und der chinesischen Tourismusindustrie zu knüpfen, damit beide Seiten von der boomenden Branche profitieren.

Die Zahlen versprechen eine rosige Zukunft: Nachdem im Jahr 2010 erstmals über eine Million Übernachtungen von Chinesen in Deutschland gezählt wurden, waren es 2013 bereits über 1,6 Millionen. Auch für dieses Jahr wird wieder mit einem kräftigen Zuwachs gerechnet, bis September 2014 lag dieser schon 12 Prozent über dem Vorjahr. Bis zum Jahr 2020 soll die Übernachtungszahl von ausländischen Gästen in Deutschland die 80-Millionen-Grenze überschreiten, davon sollen 2,2 Millionen Chinesen sein.