18-07-2014
Wirtschaft
Ausländische Führungskräfte: Was tun bei Korruption in den eigenen Reihen?
Kommentar von Chris Devonshire-Ellis

Betroffene sollten mit den chinesischen Behörden kooperieren und das Land auf keinen Fall vorschnell verlassen.

 

Seit den Skandalen um den Pharmakonzern Glaxo Smith Kline (GSK) und die Risikomanagementberatung ChinaWhys müssen sich auch ausländische Führungskräfte in China die Frage stellen, wie sie sich gegenüber mutmaßlicher Korruption im eigenen Unternehmen verhalten sollten.

Die Situation bei GSK ist komplex, da die Zahlung von Kommissionen an chinesische Ärzte in der Unternehmenskultur und in der Branche wohl nach wie vor verbreitet ist. Ein großer Anteil des pharmazeutischen Vertriebs in China unterliegt der Korruption. Sie trägt einerseits zu einer angemessenen Entlohnung von Ärzten in China bei. Andererseits missbrauchen diese Ärzte das System in großem Ausmaß und gönnen sich beispielsweise einen Luxuswagen, was im Widerspruch zur Grundidee steht, mit der das System einst eingeführt wurde.

Mark Reilly, Geschäftsführer bei GSK in China, wurde unterdessen unter Hausarrest gestellt, es laufen strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn und das Unternehmen.Aufgrund der Ausmaße des Falls ist von langwierigen Ermittlungen auszugehen. Erst kürzlich musste die GSK aufgrund ähnlicher Vorfälle in den USA eine Geldstrafe von 3 Milliarden Dollar zahlen. Der Vorfall um Reilly zeigt, wie nachsichtig die Unternehmenskultur in Korruptionsfällen ist. Falls die Untersuchungen zeigen sollten, dass Reilly versucht hat, die Situation zu retten, wird ihn das trotz Anklage entlasten.

Weiterhin inhaftiert ist Peter Humphrey, der britische Geschäftführer von ChinaWhys. Wegen Zahlung von Schmiergeldern zur Beschaffung von Informationen, die nach chinesischem Recht als geheim gelten, wird ihm Korruption vorgeworfen. ChinaWhys hatte sich als Beratungsunternehmen im Bereich Risikomanagement spezialisiert, nach chinesischem Recht noch immer eine Grauzone. Humphrey müsste die Gefahren also gekannt haben. Der Handel mit privaten Daten ging noch einen Schritt über die herkömmlichen Methoden einer regulären Risikountersuchung hinaus. Humphrey müsste sich also im Klaren darüber gewesen sein, dass er einen Gesetzesverstoß begangen hat.

Viele Kommentatoren raten ausländischen Führungskräften, die Gefahr laufen, in einen Korruptionsfall verwickelt zu werden, China zu verlassen. Dies ist jedoch naiv. China ist bereits seit 1984 ein Mitglied von Interpol. Das chinesische Ministerium für Staatliche Sicherheit unterhält gute Beziehungen zu der Organisation. Für Personen wie Reilly, dem Korruption in Milliardenhöhe vorgeworfen wird, ist es weitaus besser, in China zu bleiben (was er letzten Endes auch tat), um an den laufenden Untersuchungen mitzuwirken und den  chinesischen Behörden zu ermöglichen, herauszufinden, in welchem Ausmaß die Angelegenheit  der Unternehmenskultur oder einzelnen Personen zugeschrieben werden kann.

In Anbetracht der Tatsache, dass GSK in Bezug auf Korruptionsvorwürfe kein unbeschriebenes Blatt ist, könnte dem Unternehmen am Ende eine hohe Geldstrafe drohen. Die Verhandlung gegen Reilly könnte zu einem günstigeren Urteil führen, das ihm erlaubt, das Land kurz nach Ende des Verfahrens zu verlassen. Wahrscheinlich muss der GSK-Vorstand eher mit Ermittlungen und Strafen seitens erboster Anteilseigner rechnen, als dass China ein Unternehmen bestraft, das sich größtenteils außerhalb der chinesischen Gerichtsbarkeit befindet.

In Humphreys Fall scheint es sich um eine schwerwiegendere, aber gleichzeitig durchschaubarere Straftat zu handeln. Die Vorstandsmitglieder des Unternehmens befinden sich nicht mehr in China und werden wahrscheinlich auch nicht zurückkehren, die Beratungsgesellschaft existiert nicht mehr. China hat die zwei Hauptbeschuldigten verhaftet und den anderen Führungskräften eine berufliche  Zukunft in China so gut wie unmöglich gemacht, was wohl Strafe genug ist. Sie haben die Tatsache, dass sie für ChinaWhys tätig waren, aus ihren Lebensläufen gelöscht.

Humphrey wird einer Gefängnisstrafe wohl nicht entgehen, seine bisherige Haftzeit wird aber darauf angerechnet werden und eine frühere Entlassung aus medizinischen Gründen ist denkbar. Der Unterschied zwischen beiden Fällen besteht darin, dass Humphrey sich vermutlich der Tatsache bewusst war, dass er gegen Gesetze verstieß. Reilly mag dagegen das Gefühl gehabt haben, er würde sich an den „Branchenstandard" halten. Er könnte daher anders als Humphrey mit mildernden Umständen rechnen. Die Zeit wird es zeigen.

Die Antwort auf die Frage, wie sich ausländische Führungskräfte verhalten sollten, wenn sie mit Betrugs- oder Korruptionsfällen in den eigenen Reihen konfrontiert sind, lautet nicht einfach  „China verlassen" – dies könnte sehr ernsthafte Konsequenzen haben. Die Frage, die es zunächst zu beantworten gilt, heißt: Kann die Korruption, wie im Falle von GSK, als Teil der Unternehmenskultur und somit als „normale Unternehmenspraxis" betrachtet werden? In diesem Sinn muss auch der Grad der Schuld ermittelt werden. Ist eine Führungskraft also nicht involviert, so sollte eine Kündigung schon ausreichen, um problemlos das Land verlassen zu können. Kommt es zu Korruptionsvorwürfen in der Abteilung, für die eine Führungskraft verantwortlich ist, so bemisst sich deren persönliche Verwicklung ausschließlich nach ihren Befugnissen.

Möglicherweise werden Versuche unternommen, um die Probleme aus der Welt zu schaffen. In diesem Fall sollten E-Mail-Verläufe und Dokumente, die beweisen, dass nach einer Lösung gesucht wurde, privat und nicht im Firmenordner gespeichert werden. Für weiteren Rat empfiehlt es sich, einen vertrauenswürdigen Rechtsanwalt zu konsultieren.

Meiner Meinung nach wissen die chinesischen Behörden während ihrer Ermittlungen sehr gut darüber Bescheid, in welchem Ausmaß jemand in einen Korruptionsfall verwickelt ist. Auch wenn diese Erfahrung sicher kein Karrierehöhepunkt ist, sollten ehrliche Führungskräfte aber nichts zu befürchten haben. China unüberlegt zu verlassen, sendet die falschen Signale. Und niemand möchte plötzlich auf der Fahndungsliste von Interpol stehen.

 

Empfohlene Schritte während des Krisenmanagements

Falls Sie nicht unmittelbar in Korruptionshandlungen verstrickt sind, ist eine Kündigung  wegen „unüberbrückbarer Differenzen" der beste Schritt.

Befinden Sie sich in der Bereinigungsphase, dann behalten Sie unbedingt private Kopien aller wichtigen Dokumente, die Ihre Stellung, Rolle, Verantwortungen und Taten erklären.

Wenn nötig, besorgen Sie sich einen internen Rechtsbeistand, um über Ihre Position und Risiken zu sprechen. Sollten Sie noch immer unsicher sein, engagieren Sie einen externen Rechtsbeistand in China. Ein ausländischer Anwalt aus dem jeweiligen Heimatland mit einer in China ansässigen Kanzlei ist die beste Wahl, um solche Angelegenheiten zu besprechen. Er wird mit ihrer Situation vertraut sein und wissen, wie zu verfahren ist.

Sollte es in ihrem Unternehmen zu einer Razzia kommen, flüchten Sie nicht. Das macht Sie nur zu einem Verdächtigen. Außerdem schaden Sie damit ihrer eigenen Zukunft in China.

Zeigen Sie sich im Verlauf einer Untersuchung kooperationsbereit. Dies könnte für Sie sehr unangenehm sein, und bei Gelegenheit könnte Sie das Ermittlungsteam einschüchtern, um die Wahrheit zu erfahren. Dies ist aber nur eine vorrübergehende Phase. Sollten Sie nicht involviert sein, dann verliert das Team schnell das Interesse an Ihnen. Hegen Sie den Wunsch zu kündigen, ist dies der beste Moment dafür. Vor Ihrer Abreise ist es ratsam, das Ermittlerteam zu fragen, ob Ihr Aufenthalt in China noch länger von Nöten ist.

Schlussendlich:

Ausländische Führungskräfte, die bereits Erfahrungen im Umgang mit einem chinesischem Betrugs- oder Korruptionsfall sammeln konnten, können eine große Bereicherung für einen neuen Arbeitgeber sein. China zu verlassen, macht diesen Vorteil zunichte. Ausländische Führungskräfte der oberen Gehaltsklasse können alle die eine oder andere „Kriegsgeschichte" erzählen. Beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten davonzulaufen, ist eher ein Zeichen von Schwäche und ein Schuldeingeständnis.