12-12-2011
Kultur und Kunst
„Draußen vor der Tür" in China präsentiert
von Zeng Wenghui

Foto von „Draußen vor der Tür"

In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut China wird auf dem Lin Zhaohua-Theaterfestival 2011 das Theaterstück „Draußen vor der Tür" des Thalia Theaters aus Hamburg präsentiert.

„Draußen vor der Tür" von Wolfgang Borchert in der Inszenierung von Luk Perceval spielt auf die tiefe Krise Deutschlands, die Stunde Null an.

Beckmann, der stets nur bei seinem Nachnamen genannt wird, ist ein ehemaliger Soldat der deutschen Wehrmacht, der nach dem Krieg gegen die Sowjetunion und dreijähriger Kriegsgefangenschaft in Sibirien in seine Heimat zurückkehrt. Aber bei seiner Rückkehr findet er sein Bett von einem anderen Mann besetzt. Er beschließt, seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch die Elbe, in die er sich stürzt, wirft ihn wieder ans Ufer zurück. So versucht er eben, im Leben wieder Fuß zu fassen. Aber alle seine Mühen sind vergeblich. Eine Frau nimmt ihn mit zu sich und schenkt ihm die Anzüge ihres verschollenen Mannes. Doch dieser kehrt einbeinig und auf Krücken zurück. Beckmann sucht seinen ehemaligen Oberst auf, um ihn für seinen traumatischen Kriegseinsatz in einem Spähtrupp zur Verantwortung zu ziehen. Aber der hält ihn für geistesgestört und lacht ihn aus. Ein Kabarettdirektor, bei dem er mit tristen Bänkelliedern auf die Leiden des Krieges um Arbeit bittet, weist Beckmann die Tür. Denn keiner will noch etwas über die Wahrheit des Krieges hören. Als er seine Eltern besuchen will, erfährt er von einer Frau Kramer, dass sich die beiden Alten das Leben genommen haben. Da will Beckmann endgültig aufgeben. Sein Weg führt erneut zur Elbe.

In dem Theaterstück wandert Beckmann wie im Fieber durch die Straßen eines verlorenen Gestern und bleibt doch im Dazwischen stecken: zwischen Leben und Tod, Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Realität. Gepeinigt vom immer gleichen Traum, in dem die Toten schreien und ein schauerliches Konzert auf einem Xylophon aus Menschenknochen gespielt wird, sucht er voll Verzweiflung nach einem Ort, wo all das aufhört. Gibt denn keiner, keiner Antwort?

In Luk Percevals Inszenierung wird dieses Dazwischen zum absurden Zirkus, zum szenischen Konzert, in dem das bisherige Leben in Traumbildern am Zuschauer  vorbeizieht. Beckmann singt, schreit, flüstert und dichtet sich die Verzweiflung von der Seele. Auf der Bühne hängt ein riesiger Spiegel, der eine Erstaunen erweckende Wirkung erzielt. Felix Knopp, der den  Beckmann spielt, ist Sänger der Band „My Darkest Star" (in der Thalia Zentrale seit über vier Jahren erfolgreich mit „A trip along Depeche Mode"), deren Musik ihn auf einen Albtraumtrip schickt. Über ihm schweben und um ihn herum tanzen die Engel, Menschen mit Down-Syndrom aus den Eisenhans-Theaterprojekten, die zum ersten Mal auf der Thalia Bühne stehen.

Der Autor Wolfgang Borchert wurde 1921 geboren und hat in den nur 26 Jahren seines kurzen Lebens ein bleibendes literarisches Erbe an Gedichten und Erzählungen hinterlassen. Den zentralen Platz in seinem Werk nimmt jedoch sein Theaterstück „Draußen vor der Tür" ein, das der damals 26-Jährige im Jahre 1946 als Kriegsheimkehrer verfasst hat. „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will", nannte der mehrfach wegen Kritik am Regime des Nationalsozialismus inhaftierte Wolfgang Borchert sein Stück im Untertitel. Doch schon kurz nach der Niederschrift machte ein Hörspiel des Nordwestdeutschen Rundfunks, gefolgt von der Uraufführung an den Hamburger Kammerspielen den bis dato quasi unbekannten Hamburger Autor mit einem Schlag berühmt. „Draußen vor der Tür" wurde zum Inbegriff des Aufschreis einer Generation. Diesen Ruhm sollte Borchert jedoch nicht mehr erleben: Kurz vor der Uraufführung am 21. November 1947 starb er an den Folgen einer aus dem Krieg stammenden Lebererkrankung.

Damit die Inszenierung des Theaterstücks vom chinesischen Publikum besser verstanden werden konnte, gab es nach der Premiere in Beijing am 6. Dezember ein Publikumsgespräch, das vom bekannten Schauspieler Pu Cunxin moderiert wurde. Joachim Lux, der Intendant des Thalia Theaters, machte deutlich, dass zwar das Theaterspiel „ein sehr sehr sehr deutsches Stück" und ein Stück sei, das viel mit Hamburg zu tun habe, aber er glaube schon, dass die Geschichte von jemandem, der den Weg von Unschuld zu Schuld und von Schuld zu Unschuld zurücklegt, universale Bedeutung habe. 

Ein chinesischer Zuschauer hat dann hervorgehoben, dass er zwar Hundert Theaterstücke gesehen habe, aber dieses Stück ihm am besten von allen gefallen habe. Allerdings habe er nicht verstanden, warum die Schauspielerin Barbara Nüsse verschiedene Rollen wie Gott, Oberst, Direktor des Kabaretts usw. darstellen musste. Regisseur Luk Perceval erklärte, dass dies ein wenig mit Religion zu tun habe. Da der liebe Gott in dem Stück als erster auftritt und der liebe Gott in allen Menschen gesehen wird, besetzte Perceval alle Rollen der Obrigkeit mit einer einzigen Schauspielerin.

Über die Zusammenarbeit mit den Kindern mit Down-Syndrom aus den Eisenhans-Theaterprojekten als Engel, die über Beckmann schweben und um ihn herum tanzen, erklärte Luk Perceval, da Beckmann zwischen Leben und Tod stehe, müsse er von Engeln begleitet sein. Die Kinder seien aus den Eisenhans-Theaterprojekten, bei ihnen sehe man mit einem Blick Unschuld, Offenheit und ihre positive Einstellung zum Leben. Herr Perceval sagt, die Zusammenarbeit sei sehr schön. In zwei Wochen haben sie sehr viel ausprobiert. Was ihn am meisten berührt, sei die Offenheit und das totale Vertrauen der Kinder, so dass seine ganze Gruppe sich gegenseitig Offenheit, Liebe und Vertrauen erwiesen hat. Er findet, dass diese Theaterproduktion für ihn bis heute ein großes Geschenk sei.