09-08-2013
Kultur und Kunst
„Tiny Times“: Kinotraum vom Luxus
von Bai Shi

Umstrittener Film sorgt für Rekorde an den Kinokassen

Jugendidole: Die vier Hauptrollen von "Tiny Times" werden von populären chinesischen Schauspielern gespielt.  

Ein extravaganter Lifestyle und Reichtum als Lebensziel sind das Thema des Kinoerfolgs „Tiny Times", eines Films nach einem Fortsetzungsroman des 30-jährigen Schriftstellers Guo Jingming, der dabei auch Regie führte.

Bei seiner Premiere am 27. Juni brach der Film mit Einnahmen von 73 Millionen Yuan alle Rekorde an den Kinokassen. In der Folgewoche spielte er 360 Millionen Yuan (450.000 Euro) und bis zum 25. Juli nochmals 482 Millionen Yuan ( über 600.000 Euro) ein. Damit stellte er sich in eine Reihe mit dem Hollywood-Blockbuster "Superman: Man of Steel".

 

Geteilte Meinungen

Trotz seines Erfolges hat „Tiny Times" die öffentliche Meinung stark gespalten. Das Mainstream-Publikum und Rezensenten haben den oberflächlichen Ansatz des Films, die unlogische Geschichte, die kindischen Figuren und den verschwenderischen Lebensstil kritisiert. Millionen junger Fans verteidigen dagegen eifrig ihren Lieblingsautor.

Im Zentrum des Films stehen vier College-Studentinnen mit unterschiedlichem Charakter und familiärem Hintergrund, die seit der Schulzeit eng befreundet sind. Es geht um Freundschaft, Liebe und Karriere. Lin Xiao, gespielt von der bekannten Schauspielerin Yang Mi, ergattert einen Teilzeitjob als persönliche Assistentin beim strengen Herausgeber des Luxus-Modemagazins „M.E." Gu Li, gespielt von Amber Kuo, ist zwar reich und arrogant, bietet Lin und anderen Freunden in schwierigen Zeiten aber immer wieder Hilfe an. 

Die Produzenten beschreiben den Film als eine Art chinesisches "Gossip Girl" und "Sex and the City", auch dort wird das Leben der Reichen und Schönen geschildert. Guo hofft, dass die Liebesgeschichten zwischen attraktiven Mädchen und Jungen in einem Upper-Class-Setting bei Fans der Post-1980er und 1990er Generation Anklang finden.

Der verschwenderische Lebensstil im Film ist für die meisten Jugendlichen jedoch nur ein Traum. Alle Figuren sind wunderschön gekleidet. Lins Chef Gong Ming lebt in einem Haus aus Glas und fährt einen Bentley. Allein sein Wasserglas kostet 30.000 Yuan (37.50 Euro). Lin und ihre Freundinnen sind außerdem mit Louis-Vuitton-Taschen Chanel-Decken, Gucci-Stilettos und anderen hippen Designer-Objekten ausstaffiert.

Der Film zeigt nicht nur ein Leben im Luxus, sondern auch, welchen Kult die heutige Jugend um Geld macht. Er befürwortet unverblümt, dass eine wohlhabende Person mehr Rechte hat als andere. Im Film fährt Gu Yuans Mutter, eine wichtige Sponsorin der Universität, rücksichtslos mit ihrem Wagen über den Campus. Aktuelle Probleme in China wie die zunehmende Ungleichheit, sinkende Moral und fehlende soziale Verantwortung erscheinen ganz normal.

Raymond Zhou (50), Kolumnist und Filmkritiker, schrieb, „Tiny Times" zeige Anzeichen von "pathologischer Gier". Auf seinem Mikroblog bei Weibo zeterte er, der Film sei eine „kranke" Schau der Schönheit und des Reichtums. Drehbuchautor Shi Hang schrieb in seinem Blog: „Es ist überflüssig, diese cineastische Zuckerwatte zu sehen."

Die staatliche Zeitung People's Daily kritisierte den Film am 15. Juli folgendermaßen: „Wenn die Gesellschaft in Filmen wie  'Tiiny Times' schwelgt, können Menschen leicht durch Materialismus und Hedonismus irregeleitet werden. Das heißt, die humanistische Entwicklung und Kommunikation einer Ära könnten außer Kontrolle geraten." 

Die „Tiny Times"-Romane haben sich dennoch über 6,7 Millionen Mal verkauft, die meisten Leser sind Teenager. Ohne Zweifel würden Guos Fans keine Mühe scheuen, ihr Idol in Schutz zu nehmen.

Zhous Kommentar wurde denn auch von zehntausenden Fans kritisiert. „Sie beleidigen die Jugend", schreibt ein Weibo-User. Guo selbst schaltete sich in den Streit ein und wies Zhous Behauptungen zurück: „Sie sind genau das, was sie an dem Film kritisieren."

Filmliebhaber berichten von Kinos voller Fans aus der Post-1990er-Generation. Beim Anblick ihrer Idole herrschte Kreischalarm, ihr Fanatismus sorgte beim älteren Publikum für Unbehagen.

Ann An, Produzentin von „Tiny Times", hält eine Verurteilung des Films für ungerecht. Auf ihrem Mikroblog erklärte sie: „Es ist nur ein Film. Das Land wird deswegen nicht zusammenbrechen. Die harte Kritik ist unnötig."

 

Schriftsteller oder Geschäftsmann?

Fan-Andrang: Guo Jingming (2.v.l.) zeigt sich am 6. Juli mit anderen Stars aus „Tiny Times" bei einer Werbeveranstaltung in Ningbo (Provinz Zhejiang).

CFP

Guo war samt seinem Film Gegenstand vieler Kontroversen. Er wurde 1983 in einer einfachen Familie in der südwestchinesischen Provinz Sichuan geboren. 2000 und 2001 gewann er den ersten Platz im New Concept Writing Contest, einem landesweiten Studenten-Wettbewerb. Dadurch wurde er an den Universitäten des ganzen Landes bekannt. Seitdem ist er ein Vollzeitschriftsteller.

 Er ist eine schillernde Persönlichkeit. In den Augen der Leser ist Guo vor allem Vorbild für ein erfolgreiches Leben. Für Befürworter einer ernsteren Literatur ist er dagegen ein smarter Geschäftsmann.

 Guo hat sich im Verlagssektor mit seiner I5land-Magazinreihe, den ZUI-Romanen und Comics  etabliert. Seit 2006 hat er Dutzende junger Autoren und Cartoonisten gefördert. 2011 führte er mit Einnahmen von 24,5 Millionen Yuan (3,6 Millionen Euro) die Liste der reichsten Autoren Chinas an.

 Inzwischen ist sein Lebensstil genauso luxuriös wie in seinen Romanen und im Film. Guo lebt in einer Villa und trägt Designerkleidung. Kritikern entgegnet er: „Ich habe meinen Traum verwirklicht. Jeder kann das gleiche tun."

 Natürlich haben sich Guo und seine Firma auch den schnell wachsenden Jugendmarkt erschlossen. Der Erfolg von „Tiny Times" ist vor allem auf demographische Veränderungen bei den Kinogängern zurückzuführen.

 Laut den jüngsten Statistiken der China Film Distribution and Exhibition Association ist das Durchschnittsalter der Kinobesucher von 25,7 Jahren im Jahr 2009 auf 21,2 im Jahr 2012 gesunken.

 Die riesige Anzahl junger Fans hat eine wichtige Rolle für den Erfolg von „Tiny Times" gespielt. Ungeachtet aller Kritik strömten Millionen von ihnen in die Kinos und haben so quasi ihr Idol verteidigt. Einer Internetumfrage zufolge haben 46 Prozent des Publikums „Tiny Times" gesehen, weil sie die Original-Romane mögen, 35 Prozent sind Fans von Guo und die restlichen 19 Prozent Fans der Filmstars.

 Wegen des großen Erfolgs wird „Tiny Times 2" bereits im August in die Kinos kommen, vier Monate früher als geplant.

 Trotz ihrer immensen Wirkung ist der kulturelle Wert von Guos Büchern eher gering. Die meisten seiner Arbeiten entsprechen dem Geschmack von Teenagern, die seiner Meinung nach von einer großen Karriere, einer tollen Clique und einem hübschen Freund träumen, ähnlich wie Lin im Film.

 "Niemand bleibt jung, aber es wird immer junge Leute geben", schreibt Guo.