28-03-2014
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Ein Arbeitstag in Beijing: Irrungen, Wirrungen und Nervenkrisen
von Maike Schulte

Sein Ziel zu erreichen, dauert in Beijing immer länger, als man denkt. Das ist natürlich besonders schlecht, wenn man von einer Messeeröffnung berichten will, aber nicht weiß, dass es zwei Messestandorte mit sehr ähnlichen Namen gibt.

  

 

 

Die Clean Energy Expo China war das Ziel, doch bis dahin war es ein sehr, sehr weiter Weg (Fotos: Maike Schulte)

 

Eine Messe zu erneuerbaren Energien ist das Ziel. Schauplatz: Das internationale Messezentrum von Beijing. Irgendwo im Nordosten der Stadt. Aber ich bin ja nicht von gestern, weiß, dass hier alle Wege immer länger dauern und komplizierter sind, als man vorher ahnt. Also habe ich den Suchbegriff in Google Maps eingetippt, mir die entsprechende Karte und Fahrtstrecke ausgedruckt. In Englisch und Chinesisch. Wie gesagt, bin ja nicht doof. Zusätzlich habe ich eingepackt: die Telefonnummer von der Pressedame, für den Fall der Fälle. Ein Schreiben von meinem Arbeitgeber, in dem er sich höchst offiziell mit rotem Stempel dazu bekennt, mein Arbeitgeber zu sein. Meinen Pass und stapelweise Visitenkarten. Eine total perfekte Vorbereitung, finde ich. 

Morgens halb zehn in China. Ich stapfe aus dem Haus. Vorher hat mir noch ein chinesischer Freund Namen und Adresse des Messezentrums und des benachbarten Hotels, in dem einige Diskussionsveranstaltungen stattfinden sollen, in chinesischen Schriftzeichen gesimst. Clever und durchdacht, finde ich, doppelt hält bestimmt besser. Zuversichtlich postiere ich mich dann mit ausgeklapptem Arm an der nächsten vielbefahrenen Straße. In der Tat, es fahren auch sehr viele Taxis, aber leider vorbei, denn alle sind besetzt. Bin dennoch optimistisch, die Rush Hour müsste ja eigentlich vorbei sein, in der sich alle schnell noch ins Büro kutschieren lassen. 30 Minuten später weiß ich: Die Rush Hour gibt es nur im Plural.

Die Zeit schwindet, meine Entspannung auch. Also doch zur U-Bahn, was soll's, komme ich eben etwas zu spät. Die Station heißt „Messezentrum" hatte mir mein chinesischer Freund gesagt, es kann also nicht so schwer sein, von dort aus den Veranstaltungsort für die Messeeröffnung zu finden. Komisch, denke ich noch, die Station auf meinem Ausdruck hieß ganz anders, finde aber in der Eile nur die von meinem Freund genannte auf dem U-Bahnplan. Der muss es als Chinese ja wissen, befinde ich in der Hektik und quetsche mich eiligst in mehrere U-Bahnlinien, laufe im Pulk durch lange U-Bahngänge und drängele mich auf unterirdischen Rolltreppen. Eine gute Stunde später bin ich da. Riesige Messehallen in Sicht. Uff!

Jetzt nur noch reinkommen. Latsche auf ein Gate zu. Werde prompt von einem Uniformierten gestoppt. Zeige meinen Programmausdruck. Ernte eine verständnislose Miene und greife kurzentschlossen auf die Notfallnummer zurück. Ms. Xu erklärt, was das Zeug hält und plötzlich kommt Bewegung in den Uniformierten und ein Lächeln ins Gesicht. Mit mir im Schlepptau passiert er die Sicherheitskontrolle und wir laufen zack, zack! zum Ticketschalter, wo man mir zack, zack! meine Eintrittskarte überreicht. Bin fast euphorisch, kaum zu spät, alles hat ja noch bestens geklappt, denke ich.

Jetzt nur noch die richtige Halle finden. Halte dem nächsten Uniformierten mein Veranstaltungsprogramm vors Gesicht, warte, darauf, dass er seine typische Handbewegung macht und gut is'. Doch stattdessen lugt er auf mein Papier, grinst und erklärt mir dann, dass ich im falschen Messezentrum bin, denn in Beijing gibt es zwei davon, blablabla, ein neues, das New China International Exhibition Center, eben hier, wo wir gerade stehen, blablabla, das andere, ältere, das China International Exhibition Center, etwas weiter im Süden, blablabla, es folgt ein Gekritzel auf Chinesisch mit dem Namen der richtigen U-Bahnstation. Bin geplättet und laufe erst mal wieder raus aus dem Messezentrum, dem falschen, rein in die stickige Wärme.

 

Der Smog ist schuld!

Ab diesem Moment muss mein Hirn einfach irgendwie aus dem Takt geraten sein. Sage ich mir zumindest im Nachhinein. Wahrscheinlich war's vom Smog vernebelt. Und von der schwülen Hitze gelähmt. Und überhaupt war ich vermutlich schon komplett dehydriert. Jedenfalls beschließe ich, wenn ich schon nicht an der richtigen Messehalle gelandet bin, dann doch das richtige Hotel mit den netten Konferenzen aufzusuchen, als wäre das nicht auch ganz woanders, und marschiere los.

Werde prompt von einer Armada von Taxifahrern angesprochen, die mich für „nur" 150 Yuan dorthin bugsieren wollen. Lehne dankend ab. Zwei große Hotels westlicher Ketten schälen sich schließlich wie eine Fata Morgana aus dem Dunst, dann kann die gesuchte Herberge ja nicht mehr weit sein, fabuliere ich mir zusammen und ordere ein Sanlunche, um die letzten Meter bis zur Verheißung in verdienter Entspannung zurückzulegen, statt neben der achtspurigen Fahrbahn entlang zu stapfen. Der Fahrer guckt auf meinen ausgedruckten Plan und tuckert los, „Kenn' ich, das Hotel", behauptet er, wird nach ein, zwei Kilometern aber immer langsamer. Hmm, kennt er wohl doch nicht, denn er telefoniert plötzlich mit einem Fahrer-Kumpan und erklärt mir dann: „Zu weit, da kann ich nicht hin." Umkehren will er auch nicht, er setzt mich kurzerhand an einer Bushaltestelle auf die Straße, und da stehe ich, perplex, im diesigen Nirgendwo.

Plan B muss her, sage ich mir, wäre doch gelacht und welche Klischees man sonst noch in so einer Nervsituation bemüht. Der lautet: 1. Ich muss hier weg (Am besten einfach wieder nach Hause, schniefe ich vor mich hin, was zuviel ist, ist zuviel, bin ja mittlerweile schon über 2 Stunden unterwegs, die Messe-Eröffnung ist sowieso Geschichte und überhaupt, es nervt!) 2. Keine Risiken mehr. Also nach Überwindung der Minikrise mit qualmenden Füßen zurück zur U-Bahnstation mit dem Ziel „Wirklich richtiges Messezentrum", das mir der Messeinformationsbeauftragte aufgeschrieben hat.  Folgt bekannte Odyssee durch das U-Bahnnetz. Nur diesmal mit der richtigen Endstation. Jajajaja!!! Endlich, das Glück ist mir hold!

 

Erste Hilfe von der heiligen Ms. Xu

Halte mich weiter an Punkt 2 meines Plans und schmeiße ich mich gleich in ein Taxi, auch wenn die Messehalle nicht mehr weit ist. Zack, Finger auf den Plan und dem Chauffeur ans Steuer gehalten „Und los geht's, Meister", monologisiere ich im Innern vor mich hin. Doch der Meister guckt genervt und grummelt: „Weiß nicht, wo das ist." Bin zu erledigt, um mich aufzuregen, Ms. Xu muss wieder erste Hilfe leisten. Meine Wallfahrt nähert sich daraufhin tatsächlich dem Ende, ich werde vor den heiligen Hallen ausgeladen, laufe mit einem güldenen Glorienschein unter dem Applaus der Messebesucher über einen roten Teppich in den Diskussionssaal, wo ich die intelligentesten Fragen des Tages stelle. 'Tschuldigung, war doch nur die Ausgeburt eines erschöpften Hirns.

 

 

Der entspannende Teil des Tages kam ganz zum Schluss: Einfach nur sitzen und zuhören, traumhaft!

 

In Wirklichkeit ist erstmal wieder Schluss am Gate, Schwarzhändler wuseln um mich herum und wollen Tickets verkaufen, das Wachpersonal versteht mein rudimentäres Chinesisch nicht, und ich nutze wieder einmal meine Standleitung zu Ms. Xu (Glaube, ich liebe sie!), die mich wie schon bei meinem ersten Messeeintritt geübt durch alle Schranken manövriert. Juchhu, ich bin drin!

Dass damit dann doch längst nicht alles glatt über die Bühne gegangen ist, dürfte nach den bisherigen Schilderungen klar sein. Aber ich will nicht nerven und es kurz machen: Das Forum zur Bioenergie, das ich mir als Alternative zur verpassten Eröffnung ausgeguckt hatte, entpuppt sich als muffig riechende Halle mit vielen monströsen Maschinen, deren Funktion mir weitgehend rätselhaft bleibt, da Erklärungen bei den meisten Ausstellern nur auf Chinesisch vorhanden sind. Meine nächste Wahl, die Podiumsdiskussion über erneuerbare Energien, finde ich erst nach mehrfachem Nachfragen in mehreren Hallen (Infostand: „Das findet heute nicht statt!") und halbstündigem Latschen durch das Hallenlabyrinth. Als ich dort endlich auf meinen Stuhl sinke, ist das Instant-Koma nahe. Doch irgendwie habe ich doch noch Glück, komme nach vierstündiger Odyssee gerade rechtzeitig zum Vortrag eines Wirtschaftsexperten der deutschen Botschaft über mögliche Energie-Kooperationen mit China. Bin einigermaßen erleichtert. Zu den mysteriösen Maschinen hätte ich wohl wirklich nichts Erkenntnisreiches schreiben können.