04-04-2014
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Web 3.0: Werden Computer bald Journalisten ersetzen?
von Maike Schulte

 

Der österreichische Journalistenclub lud in Beijing zu einem Vortrag über den deutschsprachigen Journalismus und seine Zukunftsperspektiven im Zeitalter fortschreitender Digitalisierung.

 

 

 

Fred Turnheim, Präsident des Österreichischen Journalistenclubs, sprach über Journalismus im Zeitalter der Digitalisierung

 

Wie funktioniert Journalismus in Österreich und was sind seine Perspektiven? Antworten auf diese Fragen präsentierte der österreichische Journalistenclub vor chinesischen Journalisten Ende März in Beijing. Der unabhängige Berufsverband ist  die größte Journalistenorganisation der Alpenrepublik, kümmert sich dort um die Qualitätssicherung und steht seit sieben Jahren in Kontakt mit chinesischen Medien.

Für das chinesische Publikum lieferte Verbandspräsident Fred Turnheim zunächst einen Crashkurs zum Berufsbild des Journalisten in Österreich. Journalisten lieferten ein „umfassendes Informationsangebot", damit jeder Bürger „am Prozess der politischen Willens- und Meinungsbildung teilnehmen kann". Dies sei „Voraussetzung für das Funktionieren des demokratischen Staates", zitierte er aus der Definition des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Medienhistoriker Fritz Hausjell folgte mit einem Schnelldurchlauf durch die Geschichte des Journalismus und der Pressefreiheit in Österreich. „Wir sind eins der freiesten Länder im Journalismus", fügte Turnheim hinzu, bevor er sich ausführlicher der Gegenwart und den Perspektiven des Journalismus zuwandte.

„In Zukunft werden Journalisten Alleskönner sein müssen", lautet seine These angesichts der Digitalisierung der Medienlandschaft. In einer Ära mit zahllosen Informationskanälen seien viele Journalisten für verschiedene Medien mit unterschiedlichen Funktionen tätig. Neue Berufsbilder wie der Social Media Manager seien entstanden.

Die Funktion des Berufs habe sich grundlegend gewandelt. Kritik zu üben sei weniger wichtig, Lebenshilfe und Rundum-Orientierung würden an Bedeutung zunehmen, erklärte er unter Bezug auf eine Studie der Uni Leipzig. „Werbung, PR und Journalismus verschwinden als einzelne Kategorien, in der integrierten Kommunikation dient alles dem Marketing", so Turnheim weiter.

 

Computertexte zu Discountpreisen

Eine weitere Gefahr für die Zukunft des Journalismus zeichne sich durch die Entwicklung des Web 3.0. ab. Computer seien jetzt schon in der Lage, Texte aus Nachrichten- und Wissensdatenbanken im Internet zu sammeln, automatische Vergleichsanalysen anzustellen und auf dieser Basis eigene Texte zu schreiben. „Auf der Cebit wurde eine entsprechende Software präsentiert, Forbes nutzt sie schon. Ein mittellanger Text kostet dann nur noch 10 Dollar", erläuterte Turnheim. Versuche damit finden zurzeit auch in Deutschland statt. Noch sind hier allerdings Grenzen durch komplexe Satzstrukturen gesetzt.

Gibt es überhaupt eine Alternative? Turnheim plädierte mit verhaltenem Optimismus für mehr Qualitätsjournalismus und  Vor-Ort-Recherche sowie eine Entschleunigung im Journalismus. „Die Welt ist mehr als Internet und Google. Computer können keine Quellen prüfen", lautete sein Fazit.

Ungeachtet aller Zukunftsskepsis: Die österreichisch-chinesischen Medienprojekte gehen unvermindert weiter. Unter dem Titel „Tandem" ist zurzeit eine gemeinsame monatliche Fernsehsendung mit Redaktionen in Wien und Beijing in der Mache.