26-09-2014
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Drei Köpfe sind besser als einer
von Wang Jun

Der Immobilien- und Unterhaltungskonzern Wanda geht ein Joint Venture mit den IT-Giganten Baidu und Tencent ein. Dabei entsteht die größte Online-to-Offline-Plattform der Welt.

Hand in Hand: Wang Jianlin, Vorstand der Wanda Group (Mitte), Li Yanhong, Vorstand und Geschäftsführer von Baidu (li.) und Ma Huateng, Vorstand und Geschäftsführer von Tencent (re.), feiern die Gründung von Wanda E-Commerce (CFP)

Wer ein Mädchen in einem schönen Kleid sieht, will möglicherweise sofort wissen, wo man dieses Kleid kaufen kann. Dieser Wunsch lässt sich bald in einer der zahlreichen Wanda- Plaza-Malls erfüllen, man braucht nur ein Foto des Kleids, um es dann online abzugleichen. Ähnlich sieht es aus, wenn man auf das Werbeplakat für einen Film stößt und wissen will, wann er gezeigt wird und wie teuer der Eintritt ist. Mit einer Handy-App sieht man bald auf einen Schlag, wann er in den örtlichen Wanda-Kinos läuft, man kann gleich seinen Sitzplatz auswählen und bezahlen. Das sind nur einige der innovativen Dienstleistungen, die das neu gegründete Unternehmen Wanda E-Commerce Co. anbietet.

Am 29. August unterzeichneten die Dalian Wanda Group Co., die Suchmaschine Baidu Inc. und das Internetserviceportal Tencent Holdings Ltd. offiziell eine Vereinbarung zur Gründung eines Joint Venture, das nicht mit Waren handeln, sondern Dienstleistungen verkaufen und neue O2O-Standards setzen will. Die Erstinvestition der in Hongkong registrierten Wanda E-Commerce Co. beträgt 5 Milliarden Yuan, die Wanda Group Holding hält 70 Prozent der Anteile, Baidu und Tencent je 15 Prozent, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme der drei Unternehmen.

Der Bereich des O2O-Marketing beinhaltet die Nutzung von Online-Werbung zur Förderung des Waren- und Dienstleistungskonsums in traditionellen Offline-Geschäften. Das Geschäftsmodell ist bei ausländischen Unternehmen wie Groupon sehr beliebt.

"O2O ist das größte Stück vom Kuchen im E-Commerce-Markt. Es gibt noch keine O2O-Plattform, die Online- und Offline-Dienste verbindet. Ich denke, alle Unternehmen in dieser Branche sollten die gleiche Chance auf Erfolg haben. Da zurzeit keine einheitliche Plattform in diesem Bereich existiert, sind wir bereit, eine solche einrichten", erklärte Wanda-Vorstand Wang Jianlin.

Produkte wie Bücher, Hautpflegeprodukte oder Stoffe könnten zwar problemlos im Internet verkauft werden, ein effizienter Verkauf von Dienstleistungen wie Catering, Filmen und anderen Arten der Unterhaltung könnte aber potenziell ein noch größerer Markt sein, betonte Wang.

Lange vorbereitete Partnerschaft

„Vor rund einem halben Jahr erkannten Wang und ich, dass diese Geschäftsgelegenheit für uns ziemlich vorteilhaft sein würde", erklärte Robin Li Yahong, Vorstand und Geschäftsführer von Baidu, anlässlich der Unterzeichnungszeremonie. Nach seinen Angaben gibt es in China mehr als 600 Millionen Internetnutzer, was die Entwicklung des mobilen Internets stark gefördert hat. Dieser Trend erfordert, dass Internetunternehmen sich eng mit der Realwirtschaft verbinden. „Für Wanda, Tencent und Baidu ist dies Herausforderung und Chance zugleich", sagte Li.

In den vergangenen zwei Jahren habe er sich mehrfach mit Li und Wang getroffen, berichtet Pony Ma Huateng, Vorstand und Geschäftsführer von Tencent Holdings Ltd. Die Gespräche seien sehr erhellend für alle Seiten gewesen. „Im Unterhaltungssektor sind wir drei die besten, sowohl im Online- als auch im Offline-Geschäft, jeder von uns hat ein Umsatzvolumen von zig Milliarden Yuan. Zurzeit sind Online- und Offline-Entertainment komplett voneinander getrennt. Ich glaube, dass es großartige Möglichkeiten in diesem Bereich gibt, allerdings wäre es praktisch unmöglich, den Online- und Offline--Bereich nur durch Computer oder Smartphones zu verbinden, Offline-Einrichtungen sind also unabdingbar", erklärte Ma.

Zurzeit betreibt die Dalian Wanda Group das landesweit größte Netzwerk an Shopping Malls, zu denen auch Unterhaltungseinrichtungen wie Kinos gehören. In einer Pressemitteilung des Unternehmens hieß es, dass man 2014 mit mehr als 1,5 Milliarden Kunden in Malls, Hotels und Resorts rechne, die Position als größte Offline-Handelsplattform würde somit gestärkt. Konservativen Schätzungen zufolge werden Wandas Immobilien bis 2020 jedes Jahr mehr als 5 Milliarden Kunden anlocken.  

"Ich schätze, dass Wanda E-Commerce schon nächstes Jahr Geschäfte machen kann, unser Datenverarbeitungszentrum und das Bezahlsystem sind bereits in Arbeit", erklärte Wang. Das Gesamtinvestitionsvolumen der kommenden fünf Jahre liegt bei 20 Milliarden Yuan, auch neue Investoren sind beteiligt.

In der Pressemitteilung hieß es weiter, dass die drei Unternehmen bei der Entwicklung von Zahlungs- und E-Commerce-Finanzprodukten eng zusammenarbeiten wollen. Geplant sind der Aufbau eines gemeinsamen Kundentreueprogramms sowie die Integration von Datenverarbeitung und Produkten.

"Die Integration von Online- und Offlinegeschäften ist ein unvermeidlicher Trend in der Entwicklung des E-Commerce", erklärte Dong Ce, Geschäftsführer von Wanda E-Commerce. Die Verbindung mit den beiden IT-Giganten werde die Wanda Group zur weltgrößten O2O-Plattform machen.

Wanda E-Commerce will bis Ende 2014 E-Commerce-Dienstleistungen in allen Wanda Plazas anbieten, einschließlich der Malls, die bis Ende des Jahres eröffnet werden. Im nächsten Jahr sollen dann alle Malls, Hotels und Resorts E-Commerce-Dienstleistungen anbieten, erklärte Dong. Für 2014 prognostiziert er mehr als 40 Millionen Teilnehmer am Wanda-E-Commerce-Mitgliederprogramm, 2015 solle es mehr als 100 Millionen sein.

Geplant sei außerdem die Entwicklung einer Reihe innovativer Internetfinanzprodukte durch die direkte Zusammenarbeit mit der Wanda-Finanzsparte.

Herausforderung für Alibaba?

„Ich denke, dass Wort „E-Commerce" kann einige Brancheninsider in die Irre führen und sie zu der Annahme verleiten, dass dies eine Allianz dreier Tycoons ist, die eine neue Reihe von Versuchen unternehmen, den E-Commerce-Bereich zu beherrschen. Das ist falsch, da es das Wesentliche der Entwicklung nicht begreift", erklärte Ma bei der Unterzeichnung des Joint Venture.

Der Zusammenschluss wird von einigen Insidern jedoch als Herausforderung für die Dominanz von Alibaba, Chinas größtem E-Commerce-Betreiber, betrachtet, der kurz vor seinem Börsengang steht.

Wanda habe Tencent und Baidu, aber nicht Alibaba als Partner gewählt, weil Alibaba und Wanda beide Experten für die Einrichtung von Plattformen seien und sich so in einem Joint Venture möglicherweise nicht so gut ergänzen würden, meint Chen Xi, Geschäftsführer des RET Rui Yide Chinese Commercial Real Estate Research Center. Was Wanda dringend brauche, seien User und eine bessere Datenverarbeitung.

Nach Chens Angaben verfügen die Social-Media-Plattformen von Tencent über die größte Userzahl in China, während Baidu bei der Verarbeitung großer Datenmengen auf dem neuesten Stand sei. Die Erfahrungen beider Unternehmen in der Online-Suche, Kartierung und bei Gruppenkäufen können Wanda die benötigte Hilfestellung bieten.

Die Onlineprodukte von Tencent haben die größte und aktivste Userbasis in China. Zum 30. Juni zählte QQ, der Instant-Messaging-Dienst von Tencent, 829 Millionen Nutzer, die mobile Social-Media-App WeChat hat zurzeit mehr als 438 Millionen aktive User.

Als Chinas größte Suchmaschine verfügt Baidu über technische Kompetenzen der Weltspitze sowie eine umfangreiche Datenbasis. Mit mehr als 6 Milliarden Suchanfragen pro Tag ist Baidu Chinas größtes Internet-Portal und die größte Vertriebsplattform für Anwendungen und Dienstleistungen.

Wang sagte einmal, dass Alibabas B2C-Plattform Tmall im Grunde so etwas wie ein „Wanda Online" sei, die Zielgruppe beider Plattformen sei identisch. Daher ist Alibaba nach Ansicht einiger Analysten auch die wahrscheinlichste Konkurrenz um Krone im O2O-Bereich.

Für Wang Xiaoxing, Analyst bei Analysts International, sieht das O2O-Business-Modell von Wanda E-Commerce sehr vielversprechend aus. Wanda beabsichtige, sein O2O-Business auf der Basis seiner gewerblichen Immobilien aufzubauen, ein Ansatz, der sich von traditionellen E-Commerce-Modellen unterscheide. Das Geschäft werde daher nur begrenzten Einfluss auf den konventionellen E-Commerce-Markt ausüben.

Daher sei es auch unwahrscheinlich, dass das O2O-Geschäft von Wanda mit Alibabas B2C- und C2C-Plattformen direkt konkurrieren könne, mehr Wettbewerb werde es aber in den unterstützenden Unternehmen geben. Zumindest kurzfristig werde Alibabas Dominanz im E-Commerce also wohl nicht ins Wanken kommen, erklärte Wang.