26-04-2010
Unterwegs in China
Chengdus scharfer Tofu

 

Die Einwohner von Chengdu sind bekannt als passionierte Müßiggänger. Ein Ruf, den sie ihrer Leidenschaft für Teegärten, exzessivem Karten- und Mahjongspiel und gutem Essen verdanken.

In der quirligen Hauptstadt der Provinz Sichuan wird keine regionale Spezialität besser gehütet als der Mapo Tofu - eine aufwendige Mixtur aus seidig-festem Tofu, Hackfleisch und Suanmiao, einer lokalen Lauchsorte. Gekocht wird der Tofu in einer großzügig bemessenen  Menge Öls mit schwarzen Bohnen, Chili-Bohnenpaste, Sojasauce und getrockneten Chilischoten. Vor dem Auftragen des fertigen Tofus werden die Teller ausgiebig mit Huājiāo bestreut. Die auch als Sichuan-Pfeffer bekannte Frucht der Stachel-Esche hinterlässt auf Zunge und Lippen ein leichtes Kribbeln. 

Für die britische Kochbuch-Autorin Fuchsia Dunlop, Verfasserin von „Sichuan-Cookery", besitzt der Mapo Tofu „einen gewagt auffälligen Geschmack, aber auch eine beruhigende und träge Grundnote, was eine kulinarische Ausdrucksform des ambivalenten Charakters der Chengduer darstellt. Chengdu ist eine vibrierende Stadt, deren Bewohner bekannt sind für ihre gelassene Lebenseinstellung." 

Die Geschichte des Mapo 

Mapo Tofu bedeutet soviel wie „pockennarbiger Altfrauen Bohnenkäse" oder etwas freundlicher: „Mutters pockennarbiger Bohnenkäse". Der Begriff Mapo setzt sich zusammen aus den Wörtern Ma, pockennarbig, und Po, alte Frau oder Mutter. Er wurde nach seiner Erfinderin benannt: Eine Frau mit dem Namen Chen, die im späten 19. Jahrhundert zusammen mit ihrem Mann ein Lebensmittelgeschäft Namens Wanfu Qiao betrieb. Die Existenz dieses Ladens ist belegt durch die Erwähnung in einem englischsprachigen Gourmetführer zu den besten Restaurants und Straßenlokalen der Stadt, der 1909 unter dem Namen „Chengdu Tonglan: A General View of Chengdu" erschien. 

Das Wanfu Qiao lag jenseits des nördlichen Stadttores, an einem Weg, auf dem Rapsöl, das noch heute in der Sichuaner Küche gerne benutzt wird, zum Markt transportiert wurde.  Eines Tages, so vermutet Fuchsia Dunlop, gab einer der Ölträger Frau Chen ein wenig Öl mit der Bitte, damit ein Tofugericht herzustellen. Der Sichuaner Vorliebe ma-la für betäubende und scharfe Gewürze folgend, fügte sie dem Tofu eine Menge getrockneter Chilischoten und Huājiāo hinzu und servierte es schließlich in einem Bad von chilli-gefärbtem Öl. 

Die Besitzer von Chen Mapo Tofu, einer Restaurantkette im heutigen Chengdu, behaupten, dass ihre Läden direkt vom Original aus dem 19. Jahrhundert abstammen. Das ist natürlich schwer zu überprüfen, aber Fuchsia Dunlop denkt, dass die Behauptung durchaus stimmen könnte, da die Kommunisten bei der Verstaatlichung privat geführter Restaurants in den fünfziger Jahren die Familiengeschäfte normalerweise intakt gelassen haben. 

In China-Restaurants im Ausland findet man nur selten die Originalversion des Mapo Tofus. Wahrscheinlich weil die meisten Restaurantbesitzer aus Südchina stammen, wo Chili beim Kochen eher selten genutzt wird, aber auch weil durch die Exportbestimmungen, denen der Huājiāo unterworfen ist, sein Aroma normalerweise auf der Strecke bleibt. 

Die Zubereitung 

Mapo Tofu ist ein Gericht, das man je nach Anlass und Gesellschaft unterschiedlich genießen sollte: Mit einem simplen Pfannengemüse oder einer Auswahl von kalten Vorspeisen, mit Hauptgerichten und Suppe. Ob in einem Restaurant mit goldenem Geschirr und Kristalllüster oder in einer rustikalen Küche unter freiem Himmel, in Chengdu kann man nahezu an jeder Straßenecke ausgezeichnete Mapo Variationen finden. 

Aber nicht nur unterwegs, auch zu Hause kann man sich das Gericht schmecken lassen. Laut der in Chengdu geborenen, chinesisch-amerikanischen Fremdenführerin Zuo Ziying ist die Heimvariante des Mapo Tofu oft weniger ölig und in der Zubereitung etwas simpler als die aus einer Restaurantküche. „Ich mache mein Mapo nur mit Tofu-Würfeln, Chili-Öl und ganz wenig Bohnenpaste. Außerdem verwende ich anstatt Porree oft Frühlingszwiebeln." 

„Die Zubereitung von Mapo kann sehr unterschiedlich ausfallen", sagt Zuo Ziying weiter, „aber die Art wie sie bei Chen Mapo Dofu serviert wird – mit einem großzügigen Schluck Öl, viel Porree, einer guten Menge Gewürzen und Rindfleisch, in manchen Fällen auch Schweinefleisch – ist authentisch." 

Die ursprünglich weiche Bohnenpaste erhält ihre Form während des Kochvorgangs. „Um ihn mit den anderen Zutaten zu vermischen, sollten Sie bei der Zubereitung den Tofu nur vorsichtig mit einem Löffel anstoßen, ihn aber keinesfalls zerbrechen", erklärt Kochbuchautorin Dunlop. Eine dickflüssige, reichhaltige Fleischsoße mit salzig-würziger Bohnenpaste verleiht dem Gericht seinen einzigartigen Geschmack und die vornehme Konsistenz. Die Bohnenpaste sollte am besten aus Sichuans Pixian Bezirk kommen. Der älteste Chili-Bohnenpasten-Hersteller der gesamten Provinz. 

Ausländer sind oftmals abgeschreckt von dem vielen Öl, das für den Mapo-Teller jedoch  charakteristisch ist. „Es ist das Gericht eines Öl-Trägers, da sollte es schon ölig sein", entgegnet Fuchsia Dunlop den skeptischen Touristen. „Das Gericht sollte außerdem ein tief glänzendes Rot besitzen, welches das Öl den Chilischoten entlockt hat", so die Mapo-Expertin weiter. Auf keinen Fall fehlen darf der Huājiāo-Pfeffer, der vor dem Servieren großzügig auf dem Teller verteilt werden sollte. 

„Das Gericht kann auch die hartnäckigsten Bohnenpastengegner bekehren", weiß Dunlop aus Erfahrung. „Es ist so wohlschmeckend, dass selbst diejenigen, die Tofu für langweilig halten und normalerweise nicht essen würden, begeistert sind." 

Mit seiner wärmenden und schweißtreibenden Wirkung ist der Mapo Tofu wie geschaffen für das feuchte Chengduer Klima mit seinen eiskalten Wintern und den drückend schwülen Sommern. 

Der beste Mapo Tofu von Chengdu

In Chengdu gibt es einen ganzen Geschäftszweig rund um den Mapo Tofu, aber das Originalrestaurant unweit der Gedenkstätte für den berühmten Tang-Dichter Du Fu serviert die beste Version: Nicht in Öl ertränkt, scharf, aber nicht überwürzt, kommt der Mapo Tofu hier zusammen mit Sichuan-Pfeffer und gebratenen Fleischstücken auf den Tisch. Adresse: 197 Xiyulong St., Tel.: 86-28-8653-0162, € 1,40 für eine große Portion. 

Das stets gut besuchte Tiantian Kao Ya in Chengdus angesagtem Viertel Yulin serviert eine sehr feurige Mapo-Variante. In dem Restaurant wird der Tofu mit Schwein, frisch zerstoßenen Chilischoten und einer angenehm stechenden Bohnenpaste zubereitet. Andere Gerichte, die man bei dieser Gelegenheit auch probieren sollte: trocken gekochte Waldpilze, kalt gegrillte Auberginen, in schwarzem Essig und Sesamöl geschwenkte grüne Peperoni, sowie gekochtes Kaninchen mit Pinienkernen und kleinen Fladenbroten. Adresse: 17 Yulin East St., 86-28-8555-6339, Gerichte ab € 1,50. 

Eleganter geht es im Ba Guo Bu Yi zu, einem gehobenen Chengduer Restaurant, dass auch Ableger in Peking und Shanghai hat. Hier kann der mit Rindfleisch zubereitete Mapo zusammen mit einer Darbietung der traditionellen Sichuan-Oper genossen werden. Versuchen Sie auch den geräucherten Bambus als kalte Vorspeise und das doppelt gekochte Schweinefleisch. Adresse: 20 South Shenxianshu Rd., Section 4, Tel.: 86-28-8551-1888, Gerichte ab € 6,00).