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Chinas Botschafter a.D. in Deutschland: EU wird sich nicht vollständig auf die Seite der USA stellen

  ·   2020-08-14  ·  Quelle:german.china.org.cn
Stichwörter: Deutschland;EU
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Derzeit ereignen sich weltweit beispiellose Veränderungen, wie sie seit einem Jahrhundert nicht mehr zu beobachten waren. Durch die COVID-19-Pandemie werden sie noch erheblich verschärft. Einige der Fragen, die sich viele nun stellen, lauten: Wie werden sich die Beziehungen zwischen China und der EU während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft entwickeln? Welche Rolle werden Europa und Deutschland spielen, wenn die USA weiterhin Streitigkeiten schüren und versuchen, Chinas Entwicklung einzudämmen? 

Shi Mingde, Chinas ehemaliger Botschafter in Deutschland und neuer Vorsitzender der Gesellschaft für die Chinesisch-Deutsche Freundschaft (GCDF), gab China.org.cn kürzlich ein exklusives Interview. Darin forderte er angesichts der aktuellen internationalen Situation, dass der Wert und die Position Europas und Deutschlands in Chinas außenpolitischer Strategie verstärkt berücksichtigt werden sollten. Es sei von großer Bedeutung, die Stabilität der bilateralen Beziehungen aufrechtzuerhalten.

Deutschlands EU-Ratspräsidentschaft: Ein wichtiges Zeitfenster für die Entwicklung der chinesisch-europäischen Beziehungen 

Shi stellte fest, dass die Bundesrepublik in den letzten Jahren wie ein Stabilitätsanker die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und der EU maßgeblich geprägt habe. Unter allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) habe Deutschland den engsten Kontakt zu China. Die Tiefe der Zusammenarbeit, die die beiden Länder pragmatisch in verschiedensten Bereichen umgesetzt haben, hat ein unvergleichbares Niveau erreicht. Auch Dialoge und Austausch finden auf der höchsten Ebene statt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat China seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2005 bereits zwölf Mal besucht. Während der sechseinhalb Jahre langen Amtszeit von Shi als chinesischer Botschafter in Deutschland besuchten Chinas Staatspräsident Xi Jinping Deutschland zweimal und Ministerpräsident Li Keqiang viermal. Merkel kam im selben Zeitraum sechs Mal nach China. Innerhalb der EU ist Deutschland für China nicht nur der größte Handelspartner und Investor, sondern auch das größte Land für Technologietransfer. Im Jahr 2019 entfiel knapp ein Drittel des gesamten Handelsvolumens der EU mit China auf Deutschland. Das entsprach dem Gesamtwert von Chinas Handel mit Frankreich, Großbritannien und Italien.

„Zeitgleich ist auch der persönliche und kulturelle Austausch zwischen China und Deutschland immer intensiver geworden“, sagte Shi. Die Zahl der Städtepartnerschaften zwischen beiden Ländern erreicht mittlerweile 99. Der Personenaustausch ist von einigen hundert Menschen pro Jahr zur Zeit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen auf nun zwei Millionen pro Jahr gewachsen. Die Zahl der deutschen Studierenden in China ist im selben Zeitraum von drei auf etwa 10.000, die Zahl der chinesischen in Deutschland von zehn auf mehr als 50.000 angestiegen. Diese Tendenz wird auch dadurch unterstützt, dass zwischen den Universitäten und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen beider Länder mehr als 500 Kooperationsabkommen bestehen.

Angesichts der Auswirkungen der Pandemie hätten sich China und Deutschland auch zusammengetan, um das Virus zu bekämpfen, erörterte der Ex-Botschafter in Deutschland. Präsident Xi und Ministerpräsident Li hätten währenddessen viele Telefon- und Videogespräche mit Kanzlerin Merkel geführt. Die beiden Länder hätten sich gegenseitig medizinische Ressourcen zur Verfügung gestellt, ihre Erfahrungen in der Behandlung von COVID-19 zeitnah ausgetauscht und die Epidemie in ihrem jeweils eigenen Land zügig unter Kontrolle gebracht. Dadurch habe die Produktion und Geschäftstätigkeit schnell wiederaufgenommen werden können. Überdies sei mithilfe des speziell dafür eingerichteten „Fast Track“ auch der Personenaustausch zwischen den beiden Ländern zu einem gewissen Grad wieder ermöglicht worden, führte er aus.

Am 1. Juli übernahm Deutschland die halbjährlich rotierende EU-Ratspräsidentschaft. Der erfahrene Diplomat wies darauf hin, dass die deutsche Ratspräsidentschaft für die Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und China von äußerst hoher Bedeutung sei. Die EU stehe derzeit vor einer doppelten Herausforderung: Die eine sei es, Europas Weg in der Post-Corona-Zeit zu finden. Die zweite bestehe darin, die Rolle Europas in der turbulenten internationalen Konstellation zu definieren, glaubte Shi.

„Merkel hat sich vorgenommen, während der Ratspräsidentschaft die drei Hauptaufgaben der EU zu erfüllen: gemeinsame Bekämpfung von COVID-19, Förderung der Integration und Vereinheitlichung der EU-Position und -Politik gegenüber China. Shi erinnerte daran, dass sich in diesem Jahr die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und der EU zum 45. Mal jährt. Beide Seiten setzten sich derzeit dafür ein, die Verhandlungen über das bilaterale Investitionsabkommen voranzutreiben. Diese Verhandlungen haben bislang sieben Jahre gedauert und sollen voraussichtlich in diesem Jahr endgültig abgeschlossen werden. „Darüber hinaus arbeiten China und die EU bei der Bekämpfung des Klimawandels eng miteinander zusammen und wollen auch auf trilateraler Basis mit Afrika zusammenarbeiten, um die öffentliche Sicherheit dort zu verbessern“, so Shi.

„Ich hoffe, dass die EU und Deutschland mit China zusammenarbeiten, um ein positives Signal an die Welt zu senden, am Multilateralismus festzuhalten, Unilateralismus zu bekämpfen und eine Win-win-Zusammenarbeit zu betreiben", drückte Shi seine Hoffnung aus.

Dilemma zwischen USA und China: Warum sich die EU nicht für Washington entscheiden soll 

Die Beziehungen zwischen den Großmächten weltweit, aber insbesondere das Beziehungsdreieck USA-China-EU, erfährt Shi zufolge derzeit beispiellose und tiefgreifende Veränderungen. Vor allem ist das chinesisch-amerikanische Verhältnis in seiner schwersten Krise seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

„Es ist zum Konsens der beiden Parteien in den Vereinigten Staaten geworden, China als strategischen Gegner zu betrachten und dessen Aufstieg umfassend eindämmen zu wollen", erklärte Shi. Gleichzeitig würden die USA jegliche Anstrengungen unternehmen, um eine sogenannte „Allianz der Demokratien" zusammenzustellen, mit der eine Konfrontation zwischen China und der internationalen Gemeinschaft heraufbeschworen werden soll. Die USA möchten Europa dazu zwingen, sich zwischen China und den USA für eine Seite zu entscheiden. „Die anhaltenden Spannungen in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen haben Europa in ein Dilemma gebracht. Ich denke, die EU wird einen Weg finden, damit taktisch klug umzugehen."

Shis Analyse zufolge wird die Grundlage der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa erschüttert, was sich vor allem an den unterschiedlichen Standpunkten beider Akteure in zahlreichen internationalen Fragen zeigt.

2017 begann US-Präsident Donald Trump mit seiner America-First-Politik. Seitdem verfolgt Washington eine Politik des Unilateralismus und des Handelsprotektionismus. Als Konsequenz daraus haben sich die USA aus etlichen internationalen Vereinbarungen und Organisationen zurückgezogen. Im April kündigte Trump an, dass die USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) austreten. Als unmittelbare Reaktion versicherte Merkel, dass die WHO Deutschlands unverzichtbarer Partner und die internationale Zusammenarbeit „herausragend wichtig" für die Bekämpfung der Corona-Pandemie sei. Diese divergenten Aussagen von Trump und Merkel könnten die unterschiedlichen Global-Governance-Konzepte in den beiden Ländern widerspiegeln, glaubte der chinesische Diplomat.

Darüber hinaus hätten die USA ihren Griff rücksichtslos auf ihre Verbündeten auch in Europa ausgedehnt und damit die vitalen Interessen Europas unmittelbar beschädigt. Beispielsweise wollten die USA durch Sanktionen das Erdgaspipeline-Projekt „Nordstream 2" stoppen, mit welchem Erdgas über den Ostseeboden von Russland – die Ukraine umgehend – direkt nach Deutschland und anschließend in andere europäische Länder transportiert werden kann. Zu Beginn des Jahres 2019, als das Projekt bereits zu über 90 Prozent abgeschlossen war, wurde es von den USA vereitelt. „Dieses Projekt ist für die deutsche Wirtschaftsentwicklung von großem Belang“, bemerkte Shi. Er ist der Ansicht, dass die USA einerseits besorgt darüber seien, dass das Nord-Stream-2-Projekt die Abhängigkeit der europäischen Länder von russischer Energie vertiefen werde. Andererseits befürchten sie, dass ihre eigenen Schiefergasexporte an Wettbewerbsfähigkeit verlieren könnten. Dieses hegemoniale Vorgehen hat zu einer starken Unzufriedenheit seitens Deutschlands und Russlands geführt - Beide Seiten bekräftigten ihre anhaltende Unterstützung für dieses Projekt.

Auf der anderen Seite nähmen die gemeinsamen Forderungen und Ansichten Chinas, Europas und Deutschlands stetig zu, führte Shi aus. Sowohl China als auch Europa befürworteten Multilateralismus und Freihandel sowie die Beilegung internationaler Fragen durch Konsultation und Dialog. Zudem unterhielten China und Deutschland solide Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, was zusammen eine gute Grundlage für die bilateralen Beziehungen bilde, sagte er.

Der ehemalige Botschafter hob hervor, dass Deutschland und China nicht nur ein großes Handelsvolumen hätten, auch die Handelsbilanzen beider Länder seien sehr ausgewogen. Auf keiner Seite gebe es einen deutlichen Handelsüberschuss oder ein Defizit. Stattdessen dienten die Handelsbeziehungen dem gegenseitigen Nutzen und seien im wahrsten Sinne des Wortes eine Win-win-Situation.

Aufgrund des COVID-19-Ausbruchs hat die globale Automobilbranche erhebliche Verluste erlitten, aber in China steigt der Absatz der drei großen deutschen Autokonzerne sogar, anstatt zu fallen. Im ersten Halbjahr 2020 konnte vor allem Mercedes-Benz auf dem chinesischen Markt 346.100 Fahrzeuge verkaufen – eine Steigerung von 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Unternehmen erzielte ein Drittel seines weltweiten Absatzes in China. Im zweiten Quartal stieg der Absatz des deutschen Autoherstellers auf dem chinesischen Markt dann sogar um 21,6 Prozent. In Europa, Nordamerika und im gesamten asiatisch-pazifischen Raum ging der Absatz laut Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller im ersten Halbjahr dagegen zurück – jeweils um 31,5 Prozent, 16 Prozent bzw. 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Da der Automobilesektor der wichtigste Pfeiler der deutschen Wirtschaft sei, ging Shi davon aus, dass Deutschland, das in internationalen Angelegenheiten in der Regel pragmatisch handelt, den äußerst profitablen chinesischen Markt nicht aufgeben werde.

„Obwohl die USA weiterhin Druck auf Europa ausüben, wird die EU letztendlich eine unabhängige Entscheidungzum Schutz ihrer eigenen Interessen treffen. Europa wird sich also nicht vollständig auf die Seite Amerikas stellen und die Zusammenarbeit mit China aufgeben. Dass Deutschland Huawei für seinen 5G-Netzaufbau nicht ausschließen wird, ist ein gutes Beispiel dafür."

Shi wies schließlich darauf hin, dass vor dem Hintergrund der turbulenten internationalen Situation Europa und Deutschland in Chinas außenpolitischer Strategie mehr Stellenwert eingeräumt werden sollten. Die stabilen Beziehungen zwischen China und der EU sowie zwischen China und Deutschland sei besonders wichtig für Chinas Diplomatie und für die Beziehungen zu den USA.

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