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Von Starbucks, Stubenhockern und Schriftzeichen – Chinesischlernen mal anders mit der Website „Niu Zhongwen“

Von Xu Bei  ·   2015-09-11  ·  Quelle:Beijing Rundschau
Stichwörter: Chinesisch
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 Plagiate, Neureiche und Übriggebliebene – die Sprachlernseite new-chinese.org stellt nicht nur Trendwörter aus Chinas Alltags-, Internet- und Mediensprache vor, sondern auch die Geschichten dahinter. Die junge Deutsche Verena Menzel gründet die Seite im November 2013 mit einer chinesischen Freundin. Mit einem deutsch-chinesischen Team gibt sie seither sprachlichen Einblick in Chinas Gesellschaft und moderne städtische Kultur. Im Interview mit der Beijing Rundschau erzählt sie, wie es dazu kam...    

 

  

BR: Verena, du betreibst seit November 2013 gemeinsam mit einem deutsch-chinesischen Team die Chinesischlernseite „Niu Zhongwen" (new-chinese.org). Kannst du uns das Projekt kurz vorstellen? 

Menzel: Niu Zhongwen ist eine deutschsprachige Onlineplattform, die sich rund um die moderne chinesische Sprache und Kultur dreht. Dort stellen wir neue Begriffe und Redewendungen aus der chinesischen Alltagssprache, aus Medien, Musik, Filmen und TV-Shows sowie der chinesischen Internet- und Bloglandschaft vor. Ziel ist es, über die Sprache einen Einblick in das moderne China zu geben, jenseits von Pekingoper, Scherenschnitt und Teezeremonie. 

Wie bist du auf die Idee gekommen, Niu Zhongwen zu gründen? 

Ich habe mir irgendwann überlegt, was mir selbst damals am meisten gefehlt hat, als ich angefangen habe, Chinesisch zu lernen. Für uns Deutsche bzw. Deutschmuttersprachler ist China eben doch ein sehr exotisches Pflaster und das Chinesische eine Fremdsprache, die sich sehr stark von unseren indoeuropäischen Fremdsprachen unterscheidet, die wir in der Schule lernen. Das ist einerseits natürlich spannend, andererseits ist es anfangs aber auch manchmal schwierig, einen Zugang zu finden. 

Woran liegt das? 

Die Schriftzeichen zum Beispiel stellen natürlich eine große Barriere dar. Wenn man als Anfänger versucht, sich auf einer chinesischsprachigen Internetseite zu orientieren, möchte man am liebsten schreiend davonlaufen. Man beherrscht vielleicht gerade einmal ein paar hundert Zeichen, kann also teilweise noch nicht mal die Rubriknamen entziffern. Außerdem sind auf vielen chinesischen Internetseiten die Informationen meist viel dichter gedrängt, als bei uns. Hier gibt es sicher auch kulturelle Unterschiede, was Gestaltung und Layout angeht. Es ist für Chinesischlerner deshalb gerade am Anfang äußerst schwierig, sich selbst einen Zugang zu authentischen und vor allem interessanten Sprachmaterialien zu verschaffen. Niu Zhongwen will hier ein Fenster öffnen und eine Orientierung geben, zum Beispiel in dem wir Filme, Kurzfilme und Songs auswählen und empfehlen und sie lerngerecht aufbereiten. Als ich selbst angefangen habe, Chinesisch zu lernen, gab es so etwas in deutscher Sprache nicht und ich hätte mir gewünscht, dass mir jemand etwas Recherchearbeit abnimmt.  

Wie hast du denn selbst Chinesisch gelernt? 

Nachdem ich Ende 2005 in den Semesterferien einen dreiwöchigen Chinesisch-Intensivkurs in Witten-Herdecke besucht hatte, war ich sofort Feuer und Flamme und habe neben meinem regulären Studium in Mainz Chinesischkurse an der Sinologie in Frankfurt besucht. Den Großteil meiner Sprachkenntnisse habe ich allerdings außerhalb des Klassenraumes erworben, mit chinesischen Studenten, die ich mir als Sprachpartner geschnappt habe. Davon gab es in meiner Heimatstadt Darmstadt jede Menge. Sie haben mir nicht nur viel über Land und Leute erzählt und mit mir Feuertopf gekocht, sondern mir eben auch chinesische Songs und Cartoons empfohlen, die sie selbst mochten. Einen Großteil meiner Fortschritte in der Anfangsphase habe ich diesem persönlichen Austausch und der in China beliebten chinesischen Version der Animee-Serie Crayon Shin-chan (蜡笔小新) zu verdanken. Nach meinem Magisterabschluss bin ich dann noch einmal für eineinhalb Jahre zum Chinesischstudium an die Zhejiang University in Hangzhou. 

Wie seid ihr denn auf den chinesischen Namen Niu Zhongwen gekommen und was bedeutet er? 

 „Zhongwen" bedeutet „Chinesische Sprache", und „niu" eigentlich „Rind", „Kuh" oder „Büffel", so zumindest wird man es in den meisten Wörterbüchern finden. In der Alltags-, Jugend- und Internetsprache trägt der Begriff aber mittlerweile auch Bedeutungen wie „cool", „echt fett" oder „voll geil". Da unser Hauptanliegen war, Inhalte zu schaffen, die Spaß machen sollen und zum Weiterlernen animieren, haben wir die Seite Niu Zhongwen getauft und einen Büffel als Maskottchen gewählt. Außerdem ähnelt „niu" klanglich dem englischen Wort „new", weshalb wir dem chinesischen Namen den englischen Titel „New Chinese" zur Seite gestellt haben. Auch viele chinesische Firmen arbeiten bei der Namensfindung mit ähnlichen Wort- und Klangspielereien, wir sind also sehr chinesisch vorgegangen. 

Was ist denn das „Neue" an euer Seite? Worin unterscheidet ihr euch von bestehenden Chinesischlernseiten im Netz? 

Vor allem im deutschsprachigen Raum gibt es online nur wenige kostenlose Chinesischlehrmaterialien. Und vieles von dem, was angeboten wird, spielt sich zudem auf dem Anfängerlevel ab und hat eher den Charakter von Reisechinesisch. Außerdem haben die Lehrangebote kaum einen Bezug zum aktuellen Geschehen in China. Wir wollten keinen weiteren Flughafen-Postamt-Geldumtausch-Kurs ins Netz stellen und auch keinen weiteren verklärt-romantischen Scherenschnitt der Volksrepublik basteln, sondern unterhaltsame und aktuelle Materialien kreieren, die gleichzeitig auch einen Einblick in das moderne Leben in Chinas Metropolen geben. Ein junger chinesischer Großstädter wird heute eben eher einen Kaffee bei Starbucks bestellen, sich dann eine chinesische Actionkomödie im Kino ansehen und anschließend bei einem Konzert seiner Lieblingspunkband ein Tsingtao trinken, als Grüntee schlürfend mit Seidenfächer einer Aufführung der Pekingoper zu lauschen. Ich glaube, dass sich Interesse und Begeisterung sowohl über Unterschiede als auch über Gemeinsamkeiten wecken lassen. Und eine gewisse Begeisterung ist einfach nötig, um beim Chinesischlernen am Ball zu bleiben, weil eben doch ein großer und kontinuierlicher Lernaufwand nötig ist, um im Chinesischen ein gewisses Sprachniveau zu erreichen. Viele Lerner steigen nach dem Anfängerlevel schon wieder aus. Wir wollen motivieren, weiterzumachen.    

Anders als viele herkömmliche Angebote zum Chinesischlernen stellt ihr auch ganz aktuelle chinesische Wörter aus der Internet-, Medien- und Alltagssprache vor. Ist es denn deiner Meinung nach für Lerner überhaupt nützlich und sinnvoll, solche Trendwörter zu lernen? Und wenn ja, warum?

Man kann als Lerner natürlich sagen, es reicht mir, wenn ich weiß, was in meinen Lehrbuch steht und was für die HSK-Prüfung wichtig ist. Aber über neu aufkommende Begriffe erhält man nicht nur einen Einblick in die Entwicklung der Sprache, sondern auch in das momentane Geschehen in der chinesischen Gesellschaft. Außerdem erschließen sich mit der Beschäftigung mit solchen Begriffen oft ganz neue Denkmuster und Phänomene, die wir in unseren Breiten vielleicht gar nicht so kennen oder ganz anders einordnen. Deshalb lassen sich manche der Begriffe auch nur schwer genau übersetzen. Nehmen wir zum Beispiel den Begriff des „Zhainan" (宅男), der in den letzten Jahren in China populär geworden ist. Im Deutschen bedeutet er soviel wie „Stubenhocker" oder manchmal auch „Computernerd", nur dass anders als im Deutschen im Chinesischen nicht grundsätzlich eine negative Konnotation mitschwingt. Das Wort bezeichnet einfach jemanden, der sich lieber mit Laptop oder einem Buch zuhause verkriecht, als sich ins Gewühl außerhalb seiner vier Wände zu stürzen mit all dem Lärm, der schlechten Luft und auch dem teils komplizierten Beziehungsgeflecht und den daraus folgenden zwischenmenschlichen Verpflichtungen, die es in China nun mal viel stärker gibt als bei uns. Dadurch, dass man versucht, „Zhainan" ins Deutsche zu übersetzten und den Begriff auch zu verwenden, macht man ein regelrechtes Fass auf, dass viele neue Fragen aufwirft. Dabei lernt man sicher viel und bekommt auch Lust auf mehr.  

Auf eurer Seite stellt ihr auch chinesische Filme, Pop-Musik, Videos und Kurzfilme vor. Gibt es bei euch einen Standard, nachdem ihr das Material auswählt? Und hast du alle vorgestellten Filme und Videos selbst gesehen bzw. die Musik selbst gehört?  

Grundsätzlich gilt, dass wir das vorstellen, was uns selbst gefällt und was zudem in China nicht völlig unbekannt ist. Alles wird vorab gesichtet bzw. gehört, weshalb wir auch nicht jeden Tag im Akkord eine neue Serie oder einen neuen Kurzfilm auf die Seite stellen. Die Vorauswahl nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch. Im Musikbereich zum Beispiel unterscheidet sich der westliche Geschmack doch teilweise stark vom chinesischen Mainstream. Deshalb nehmen wir uns nicht einfach Platz eins der chinesischen Download-Charts vor und übersetzten den Titel, sondern suchen nach Nummern, die in beiden Kulturkreisen ankommen. Davon gibt es tatsächlich jede Menge! Gerade im Musikbereich glauben viele Ausländer, die zum ersten Mal nach China kommen, es gebe hier nur Mandarin-Pop, Schnulzballaden und traditionelle Volkslieder. Wenn man genauer hinsieht, stimmt das einfach nicht. Und hier sind wir wieder an dem Punkt, an dem die Sprachbarriere eine große Rolle spielt, da sie die eigenen Recherchen im Netz oft behindert. Wir wollen eine kleine Vorauswahl bieten.  

Habt ihr ein Konzept, wer euer Zielpublikum ist? 

 Grundsätzlich richtet sich die Seite an jeden, der Spaß an der chinesischen Sprache und ein Interesse an China hat. Da gibt es sicherlich keine Altersgrenze. Wir hatten auch schon eine Zuschrift von einem 75-Jährigen. Die meisten unserer User sind allerdings Studenten, junge Berufstätige und auch immer mehr Schüler. 

Wird es deiner Meinung nach in Zukunft denn immer mehr deutschsprachige Chinesischlerner und Menschen, die sich für China oder die chinesische Kultur interessieren, geben? 

 Ich persönlich denke ja! Chinas Einfluss in der Welt wächst, was sicher viele Menschen dazu bewegen wird, stärker nach China zu schauen. Der Trend zeigt sich schon allein daran, dass mittlerweile die ersten Studiengänge für Chinesisch auf Lehramt in Deutschland eingeführt wurden. Ich glaube, dass vor allem an den Gymnasien die Zahl der Chinesischlerner in den nächsten Jahren deutlich steigen wird.  

Was ist für dich als Herausgeberin und Chefredakteurin deine ganz persönliche Zukunftsvision für die Seite?  

Erstmal soll die Seite in den nächsten Monaten noch interaktiver werden, hierfür haben wir schon einige Dinge in der Schublade liegen. Außerdem wollen wir noch mehr Angebote speziell für Anfänger kreieren. In ferner Zukunft hoffen wir, dass wir unseren Usern vielleicht auch offline das Reich der Mitte näher bringen können, zum Beispiel über ein Niu Zhongwen-Sommercamp hier in Beijing oder ähnliche Events, bei denen die Lerner mit China direkt auf Tuchfühlung gehen können. Aber das ist bisher noch Zukunftsmusik. 

 Verena, viel Erfolg für die Zukunft und danke für das Gespräch! 

  

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