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Eckehard Scharfschwerdt: ein deutscher Arzt in China

Von Wei Hongchen  ·   2020-06-19  ·  Quelle:Beijing Rundschau
Stichwörter: Yunnan;Armutsbekämpfung
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„Wenn ich von China spreche, dann habe ich Yunnan vor Augen, nicht die großen modernen Städte, sondern das bergige Hinterland, die ethnischen Gruppen in ihren bunten Trachten, die traditionellen Feste“, sagt der deutsche Arzt Eckehard Scharfschwerdt.  

2000 kam der damals 36-jährige Scharfschwerdt, der aus Baden-Württemberg stammt, in der südwestchinesischen Provinz Yunnan an. Begleitet von seiner Frau und seinen drei bzw. viereinhalb Jahre alten Kindern. In den folgenden 16 Jahren fuhr er mit dem Rad in die abgelegensten Gebieten Yunnans, um kostenlos medizinische Hilfe zu leisten.   

Während dieser 16 Jahre lebte er im Kreis Heqing, später in Jianshui und Honghe. Er arbeitete als Anästhesist in den Kreiskrankenhäusern und bot in Kooperation mit den Gesundheitsämtern medizinische Fortbildungskurse an, womit er aktiv die Entwicklung von sozialen Gesundheitseinrichtungen in der Region voranbrachte. Im Jahr 2017 wurde ihm der „Freundschaftspreis der chinesischen Regierung“ verliehen. 

Eckehard Scharfschwerdt demonstriert bei einer Fortbildung für medizinisches Personal das korrekte Intubieren bei einem Kleinkind. (Foto: mit freundlicher Genehmigung von Eckehard Scharfschwerdt)

Mit Wörterbuch und Ballons als Arzt arbeiten 

Vor seiner Abreise ins Reich der Mitte war Scharfschwerdt in Deutschland Allgemeinmediziner, Anästhesist und Notarzt. Seine Eltern nahmen ihn in seiner Kindheit oft auf Reisen in andere europäische Länder mit, was ihm half, Interesse am Ausland sowie Liebe für fremde Kulturen zu entwickeln. 

Für Scharfschwerdt war die Reise nach China „prädestiniertes Schicksal“. 

Damals standen Scharfschwerdt, der in einem deutschen Krankenhaus arbeitete, und seine Frau vor „einer spannenden und wichtigen Entscheidung“. Sie überlegten, ob sie als Ärzte nicht dort helfen sollten, wo sie am meisten gebraucht würden. Die sprachlichen und kulturellen Herausforderungen ließen sie jedoch zögern.  

Genau zu jener Zeit versuchte ein Mädchen, das in einem chinesischen Restaurant arbeitete, sich zu ertränken. 

Nachdem Scharfschwerdt das chinesische Mädchen gerettet hatte, war er in Gedanken verloren: warum wollte die junge Frau nicht mehr leben? „Die Chinesen nennen es Yuanfen, was man mit Schicksal übersetzen kann. Ich überlegte, was sind die beiden wichtigsten Dinge in meinem Leben? Mein Leben ist reich beschenkt: Ich durfte Medizin studieren und Gottes Hoffnung erfüllt mich. Da China ausländische Ärzte brauchte, dachte ich: Warum nicht alles zusammenführen und meinen Beruf und mein Leben dort einsetzen, wo die Medizin weniger entwickelt ist.“  

Im Jahr 2001 unterzeichnete die Provinz Yunnan ein Memorandum mit MSI Professional Services International, einer Non-Profit-Organisation mit Sitz in Hongkong. Als Anästhesist war Scharfschwerdt im September desselben Jahres im Kreis Heqing angekommen. Seine Hauptaufgabe war es, beim Aufbau eines Notfallsystems zu helfen und Dorfärzte auszubilden.  

Scharfschwerdt und seine Frau hatten zwar ein Jahr Chinesisch in Singapur und noch ein weiteres Jahr in Kunming gelernt, bevor sie in Yunnan aufs Land zogen. „Aber selbst nach zwei Jahren Vollzeitunterricht habe ich mich wie auf Kindergarten-Niveau gefühlt“, sagte Scharfschwerdt. „Dazu kam der ausgeprägte Dialekt im ländlichen Yunnan, der so ganz anders klang als das Mandarin an der Uni.“ Aus der eingeschränkten Kommunikation resultierten andere Schwierigkeiten im Alltag und bei der Arbeit im Krankenhaus. Dafür trug er ein kleines rotes Wörterbuch mit sich herum, um jederzeit fehlende Begriffe nachschlagen zu können. 

Neben dem Wörterbuch steckten seine Hosentaschen immer voller Luftballons. „Damals gab es in den Bergdörfern noch kaum Spielzeug, so dass ein mitgebrachter Luftballon bei den Kindern große Freude auslöste.“ Er hatte sich in einen Spielball verwandelt, und die Angst vor dem großen Ausländer wich. Kinder akzeptierten viel bereitwilliger sein limitiertes Chinesisch und antworteten gerne auf seine einfachen Fragen.  

Es war Scharfschwerdt ein Anliegen, Wissen und Fähigkeiten so weiterzugeben, dass die einheimischen Kollegen selbständig auf einem etwas höheren Niveau weiterarbeiten konnten. „Unser Ziel war es, die Regierung darin zu unterstützen, das Gesundheitswesen weiter auszubauen. Wir investierten nicht in ‚Hardware‘ sondern in ‚Software‘. Wir haben keine Krankenhäuser gebaut, sondern Ärzte und Krankenschwestern weitergebildet“, sagte er. Vor diesem Hintergrund hat Scharfschwerdt in all den Jahren 100 internationale, in der Regel einwöchige medizinische Fortbildungskurse durchgeführt.  

Neben der Arbeit im Krankenhaus ging Scharfschwerdt oft in die armen Dörfer, um deren Bewohnern Gesundheitsuntersuchungen zu bieten. (Foto: mit freundlicher Genehmigung von Eckehard Scharfschwerdt) 

Auch in Sachen Armutsbekämpfung engagiert 

Neben seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Arzt war Scharfschwerdt auch als Englischlehrer für Mittel- und Grundschüler aktiv. Er bot für mehr als zwei Jahre eine Englisch-AG für Dorfkinder an einer Mittelschule im Kreis Honghe an, um ihr Interesse am Studium zu wecken und ihren Horizont zu erweitern. 

In den Anfangsjahren war er auch ganz praktisch in der Armutsbekämpfung engagiert. Einmal im Monat konnte er das Städtchen und Krankenhaus zurücklassen, fuhr auf holprig gepflasterten Serpentinen in die Berge und erreichte dann nach mehrstündiger Wanderung das Projektdorf.  

Um die Unterhaltsprobleme der armen Bevölkerung zu lösen, startete er ein Ziegenleihprojekt. Familien, die sich die Ziegenzucht normalerweise nicht leisten konnten, bekamen die Tiere geliehen. Es wurde eine Frist vereinbart, nach der diese Familien dieselbe Anzahl Ziegen zurückgaben. Dafür kaufte Scharfschwerdt 145 Ziegen, die er dann an 28 Familien verlieh.  

Darüber hinaus initiierte und begleitete er den Bau von 56 Wasserzisternen, 48 Biogasanlagen sowie 28 kleinen Silagegruben und unterstützte die Maulbeerplantagen für Seidenraupenzucht, die noch heute von der fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Bergbauern zeugen.  

Scharfschwerdt, der im Jahr 2016 nach Deutschland zurückgekehrt war, zeigte sich tief beeindruckt von den Fortschritten im Gesundheitswesen in diesem abgelegenen Teil Chinas. 

„Die Einführung der ‚Farmer’s Health Cooperative, eine Art Krankenversicherung, in Yunnan ist für mich als Arzt die wichtigste Maßnahme und Errungenschaft in der Armutsbekämpfung. Die Zugangsschwelle zur Gesundheitsversorgung war entscheidend gesenkt worden“ , sagte er. 

Als er im Jahr 2000 in Yunnan ankam, konnten sich viele Patienten eine Krankenhausbehandlung aufgrund fehlender Krankenversicherung nicht leisten, und viele Krankenhäuser auf Kreisebene verfügten nur über sehr einfache medizinische Geräte. 

Mit der Einführung der Krankenversicherung im Kreis Heqing im Jahr 2006 verdreifachte sich die Zahl der stationären Patienten, weil sich die Menschen nun eine medizinische Behandlung leisten konnten, und schon bald musste ein neues Krankenhaus werden, sagte Scharfschwerdt.  

„Ich vermisse Yunnan“ 

Ein deutscher Arzt, der 15 Jahre lang in den abgelegenen, armen Bergregionen Chinas gearbeitet hat und damit weder zu Ruhm noch Reichtum gelangte. Es stellt sich die Frage, was ihn dazu bewegte. 

„Mein größter Dank gilt den laobaixing – der einfachen Bevölkerung –, die uns so gastfreundlich empfangen hatte“, betonte Scharfschwerdt. In Yunnan hätten die Menschen ihn und seine Frau mitgenommen, von Tür zu Tür. Sie wurden ganz selbstverständlich zu mehrtägigen Hochzeiten eingeladen, besuchten gemeinsam Tempelfeste und nahmen an Trauerzeremonien teil. „Wir hatten das Gefühl, wir würden dazugehören.“ Im Lauf der Jahre sind tiefe Freundschaften entstanden, die kulturelle und sprachliche Kluften überbrückt haben. „Selbst wenn wir uns Jahre weder gesehen noch gesprochen haben, so fühlt es sich beim Wiedersehen doch so an, als seien wir erst gestern auseinandergegangen.“ 

Als sich 2016 der Lebensmittelpunkt seiner Familie wieder nach Deutschland verlagerte, fiel es Scharfschwerdt sehr schwer, von seinen chinesischen Freunden Abschied zu nehmen. Wieder auf deutschem Boden gelandet, auf der Rückfahrt von Frankfurt in den Schwarzwald, installierte er WeChat (eine beliebte chinesische Social-Networking-App), wobei er seinem Fernweh und seiner Sehnsucht mit dem Account-Namen „woxiangyunnan – ich vermisse Yunnan“ Ausdruck verlieh. 

„Die besten Jahre, die Mitte meines Lebens, habe ich im Reich der Mitte verbracht, und so ist China ein Stück weit zur Mitte meines Lebens geworden. In Yunnan fühle ich mich immer noch sehr zu Hause“, sagte Scharfschwerdt. „Bisher konnte ich zweimal jährlich nach China reisen.“  

Ursprünglich war geplant, dass Scharfschwerdt Ende Mai dieses Jahres in Yunnan unterrichten sollte, doch die Corona-Epidemie kam dazwischen. Trotzdem ist der Deutsche guter Hoffnung, dass „in absehbarer Zukunft die Grenzen wieder öffnen, damit ich bald meine Freunde und Kollegen besuchen kann“. 

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