Experten erwarten, dass bei den beiden Treffen der politischen Führung des Landes in Beijing nicht nur die Quantität des chinesischen Wirtschaftswachstums auf der Tagesordnung stehen wird, sondern auch die Qualität. 

Das Wachstumsziel für das chinesische Bruttoinlandprodukt gehört bei den beiden jährlichen Sitzungen zu den thematischen Schwerpunkten. Es wird im Arbeitsbericht der Regierung festgelegt, den Premierminister Li Keqiang am Montag vorlegen wird.

Da ein hochwertiges Wachstum nun zu den Prioritäten der Regierung gehört, wird in diesem Jahr dem Thema wahrscheinlich genauso viel Aufmerksamkeit geschenkt wie den industriellen Überkapazitäten, der Überschuldung, dem Einkommensungleichgewicht, der Armutsreduzierung und dem Kampf gegen die Umweltzerstörung.

Stephen Roach, Wissenschaftler am Jackson Institute for Global Affairs der Yale Universität, ehemaliger Leiter der Asien-Bank und Chefökonom der Investmentbank Morgan Stanley, sagte, es sei wichtig für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, eine nachhaltige Zukunft zu sichern.

"Die chinesische Führung hat die Notwendigkeit eines nachhaltigeren Wachstumsmodells erkannt. Dies geschieht durch den Übergang von einer ressourcenintensiven Produktion zu ressourcenschonenden Dienstleistungen. Nur so kann China die Qualitätsdimension der Wachstumserfahrung ausschöpfen", sagte Roach. Das Land erziele gute Fortschritte in Richtung Wachstum von höherer Qualität. Aber der Weg habe gerade erst begonnen.

Ökonomie-Professor Zhu Ning von der Tsinghua Universität glaubt ebenfalls, dass bei der jährlichen Plenarsitzung des Nationalen Volkskongresses, des höchsten Gesetzgebers in China, und des Nationalen Komitees der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes, des obersten politischen Beratungsgremiums des Landes, ein hohes Gewicht auf qualitativ hochwertiges Wachstum gelegt wird.

Die große Bedeutung, die einer neuen und integrativeren Wachstumsstrategie beigemessen werde, sei bereits bei der zentralen Wirtschaftskonferenz deutlich geworden, die im Dezember in Beijing stattfand, so Zhu weiter.

Der Fokus liege jetzt auf der Entwicklung der Gesamtwirtschaft. „Die Bevölkerung hatte zuvor kritisiert, dass sich alles um Wachstum dreht und nicht um die Entwicklung. Wir wollen eine breiter angelegte, integrativere Entwicklung und nicht bloß ein numerisches Wachstum ", sagte er.

Da China in diesem Jahr laut einer Schätzung des IWFs voraussichtlich zu 35 Prozent des globalen Wachstums beitragen wird, beobachten die Finanzmärkte der ganzen Welt die Wachstumsziele der Regierung.

Im vergangenen Jahr war die Zahl mit „rund 6,5 Prozent oder höher“ festgelegt worden. Mit einer Zunahme des BIP um 6,9 Prozent konnte dieses Ziel 2017 problemlos erreicht werden. Dies war auch das erste Mal seit 2010, dass sich das jährliche Wachstum wieder erhöht hat.

Um das Ziel der Regierung zu erreichen, bis 2020 eine “Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand” zu werden, muss China weiterhin ein relativ schnelles Wachstum beibehalten. Konkret braucht es bis dann eine Verdoppelung des durchschnittlichen Einkommens von 2010.

George Magnus vom China Zentrum der Oxford Universität schätzt, dass das Wachstumsziel der Regierung wieder bei “ungefähr 6,5 Prozent” liegen wird. “Meiner Meinung nach liegt China gut im Kurs, um die Ziele für 2020 zu erreichen. Ein jährliches Wachstum von 6,2 Prozent über die nächsten drei Jahre sollte meinen Berechnungen nach reichen. Selbst wenn etwas aus irgendeinem Grund schief gehen sollte, gibt es ein kleines Polster. China kann sich beim Wachstum einen Kompromiss zwischen Qualität und Quantität leisten.”